Wörthsee:Wie es ein Pflegedienst bislang ohne Infektion durch die Pandemie schaffte

Wörthsee: Nachbarschaftshilfe

Die Chefinnen der Nachbarschaftshilfe (v. li): Vorsitzende Marita Heßmann, Pflegedienstleiterin Beatrix Gerlach, Stellvertreterin Angela Rothenanger, Geschäftsführerin Petra Grabmaier und Vorstandsmitglied Gundi Kögel.

(Foto: Nila Thiel)

Die Nachbarschaftshilfe hat sich von Anfang an gut auf das Coronavirus eingestellt. Dass die Tagespflege 14 Wochen schließen musste, hatte jedoch gravierende Folgen für die Senioren.

Von Christine Setzwein

14 Wochen war die Tagespflege der Nachbarschaftshilfe Wörthsee (NBH) im ersten Lockdown der Corona-Pandemie geschlossen. Die Folgen waren gravierend: Viele der alten Menschen hatten abgebaut, was ihre Mobilität und auch die geistigen Fähigkeiten angeht, weil sie zu Hause saßen und nicht gefordert wurden. "Diejenigen, die vor der Pandemie ohne Rollator gehen konnten, trauten sich jetzt gar nicht mehr aufzustehen", berichtet Beatrix Gerlach, die neue Pflegedienstleiterin der NBH. "Vieles konnten wir wieder aktivieren, viel ging aber auch verloren. Die Demenz ist weit fortgeschritten."

Dabei kam die Wörthseer Nachbarschaftshilfe bisher ganz gut durch die Pandemie. Bis auf eine Frau, die sich in der Reha infiziert hatte, erkrankte keiner der 40 Patienten an Covid-19. Bei der NBH selbst mussten lediglich zwei Mitarbeitende in Quarantäne, weil nahe Angehörige infiziert waren. Dafür, dass es so gut läuft, haben der ambulante Pflegedienst und die Tagespflege im Urban-Dettmar-Haus mit ihren zehn und fünf Pflegekräften auch einiges getan. "Wir tragen seit März FFP2-Masken", sagt Gerlach - die damals schwer zu kriegen und noch sehr teuer waren. Doch für die 44-Jährige kam nichts anderes in Frage. Einen Menschen zu pflegen, ihn zu waschen oder zu duschen und dabei eineinhalb Meter Abstand zu halten, sei nicht möglich. "Und wir wollten Corona nicht zu den Klienten bringen."

Bei der Diensteinteilung achtet sie darauf, dass möglichst immer die selben Pflegekräfte ins Haus kommen. Bei Erkältungsanzeichen raten sie sofort zu einem PCR-Test, und bis ein negatives Ergebnis vorliegt, "pflegen wir nur in Schutzanzügen". Der Nachteil der FFP2-Masken wird in der Tagespflege deutlich. "Sie erschweren die Kommunikation mit unseren Gästen schon sehr", sagt Gerlach. Zur Zeit besuchen täglich acht Frauen und Männer die Einrichtung, in normalen Zeiten sind es zwölf. Die meisten zu Betreuenden und zu Pflegenden sind im Alter von 85 aufwärts. Was ihnen am meisten fehlt? "Das Singen." Geimpft worden seien bisher weder die Klienten, die ambulant gepflegt werden, noch die Gäste der Tagespflege, sagt Gerlach.

Mittlerweile werden die Mitarbeiter der NBH - 15 in der Pflege, fünf im Büro und die Fahrer dreimal pro Woche von einer Fachkraft getestet. Die Tests werden kostenfrei vom Gesundheitsamt abgegeben. Aus dem Pflegeschutzschirm gibt es neun Euro pro Test für den Zeitaufwand. "Da sind wir auch jedes Mal einen Vormittag lang beschäftigt", sagt NBH-Geschäftsführerin Petra Grabmaier. Die Überweisung klappe tadellos. "Nach zehn Tagen haben wir das Geld auf dem Konto."

Was die Vorsitzende Marita Heßmann sehr freut: Die NBH ist personell wieder gut aufgestellt. Sogar einen männlichen Kollegen gebe es. Seit August 2020 ist Beatrix Gerlach Pflegedienstleiterin. Die gebürtige Münchnerin und Mutter von zwei Kindern lebt seit 2012 in Wörthsee und ist erst spät zur Pflege gekommen. 2014 begann sie eine duale Ausbildung und machte den "Bachelor of Science in Pflege". In der Pflege zu arbeiten, sei schon auch Berufung, meint sie, aber vor allem sei es ein "toller Beruf", der mehr Wertschätzung verdiene. Eines weiß sie ganz sicher: "Ich werde nie reich in der Pflege, aber auch nie arbeitslos." Die Arbeit sei bereichernd und es komme viel zurück von den Pflegebedürftigen. "Ich lerne so viel von den alten Menschen, und wir lachen auch viel."

Zum Beispiel über die Weinbergschnecke in der Badewanne einer Patientin, die von ihr liebevoll versorgt wurde und derentwegen niemand die Wanne sauber machen durfte. Fürs Saubermachen werden die Pflegekräfte auch nicht bezahlt, aber in Zeiten, in denen Angehörige ihre Eltern oder Großeltern nicht besuchen dürfen, "wischen wir schon auch mal die Kaffeeflecken weg", sagt Gerlach.

Nicht zum Lachen war der anonyme Brief einer "besorgten Walchstadterin". Der Frau war nicht entgangen, dass sich jeden Montagnachmittag mehrere Menschen im Saal des NBH-Gebäudes am Teilsrain treffen. "Kaffeeklatsch" in Zeiten von Corona sei wohl nicht angebracht, entrüstete sie sich. Bei dem "Kaffeeklatsch" handelt es sich um das "Erzählcafé" für Menschen mit einer Demenzerkrankung oder eingeschränkten Alltagskompetenz, das der Vereinsamung und Isolation der Gäste entgegenwirken und die Angehörigen entlasten soll. "Und das dürfen wir", sagt Petra Grabmaier.

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