Wörthsee:Abfuhr für Aldi

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Mehrheit der Wahlberechtigten in Wörthsee spricht sich in einem Bürgerentscheid gegen den Bau eines Logistikzentrums aus. Ausschlaggebend ist offenbar ein umstrittenes Verkehrsgutachten.

Christine Setzwein

Die Entscheidung ist gefallen. Die Mehrheit der Wörthseer hat sich am Sonntag gegen die Ansiedlung eines Logistikunternehmens auf dem gemeindeeigenen Grundstück "Am Ziegelstadel" ausgesprochen. 54,5 Prozent votierten gegen die Bebauung, 45,5 Prozent dafür. Von den 3900 Stimmberechtigten gingen 2724 zur Wahl. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 70 Prozent sehr hoch.

Das Interesse an dem Bürgerentscheid über das Aldi-Auslieferungslager ist sehr groß. Die Wahlbeteiligung liegt bei knapp 70 Prozent. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

"Wir wollten von Anfang an die Bürger fragen, jetzt haben wir ein repräsentatives Ergebnis", sagte Martina Jursch, die Ortsvorsitzende der CSU. Sie hatte schon am Sonntagmittag eine Ahnung, dass es nicht klappen könnte. "Wir verlieren", orakelte sie im Gespräch mit der SZ. Es war die CSU, die am Ziegelstadel in Etterschlag gerne ein Aldi-Logistikzentrum gehabt hätte. Der Discounter hatte der Gemeinde zehn Millionen Euro geboten für das 13 Hektar große Areal im Landschaftsschutzgebiet. Für Aldi wäre der Standort direkt an der Lindauer Autobahn ideal gewesen. 2012 scheiterte der Discounter mit seinen Plänen schon in Gilching. Auch dort waren die Bürger gegen ein Warenlager.

Die SPD-Bürgermeisterkandidatin Christel Muggenthal freut sich. Der Ausgang des Bürgerentscheids zeige, dass die Wörthseer dem Landschafts- und Naturschutz einen hohen Stellenwert beimessen. Auch Gerald Grobbel von den Grünen ist zufrieden. "Aldi passt von seiner Struktur her nicht rein." Alle Befragten lobten die hohe Wahlbeteiligung der Wörthseer. "Das war ein Bürgentscheid, der den Namen auch verdient", sagte Bürgermeister Peter Flach. Der Gemeinderat müsse nun das Angebot von Aldi ablehnen. Andreas Stipp, Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler und Aldi-Befürworter, sagte, was die Finanzen angehe, werde die Gemeinde in den kommenden Jahren ein Krisenmanagement absolvieren müssen. Auch Michael Klöter war am Sonntagabend ins Wörthseer Rathaus gekommen. "Wir werden morgen wieder Lebensmittel ausliefern, weil die Menschen Hunger haben", antwortete der Aldi-Projektleiter auf die Frage, wie es nun weitergehe. Er hätte gerne mit den Wörthseern zusammengearbeitet, sagte er und bedankte sich bei den Unterstützern und beim Gemeinderat. Er bedauerte, dass die "Lagerhaltung auf der Straße" nun weitergehe. Mit dem neuen Logistikzentrum hätte der CO₂-Ausstoß erheblich verringert werden können.

Bis zuletzt hatten in Wörthsee die Befürworter und Gegner um Stimmen geworben. Die CSU kritisierte noch am Freitag in einem Flugblatt die "Politik mit Angst" des Bund Naturschutz (BN). Dieser hatte zuvor, ebenfalls in einem Flyer, die Fotomontage eines riesigen Gewerbegebiets vor den Toren Etterschlags veröffentlicht. Eine "Horrorvision", die mit den Fakten nichts zu tun habe, erklärte die CSU.

Auch von der SPD und den Grünen fanden die Wörthseer noch Handzettel im Briefkasten. Inhalt war unter anderem das Verkehrsgutachten des Verkehrsexperten Professor Harald Kurzak. Offenbar lag es an dieser Expertise, dass die Mehrheit der Wörthseer schließlich gegen die Ansiedlung eines Logistikzentrums stimmte. Es war der Physikprofessor Günter Kaindl, der sich die Kurzak-Prognose auf der Homepage der Gemeinde genauer angesehen hatte und zu dem Ergebnis kam, dass sie nicht ganz stimmen konnte. Dabei geht es vor allem um die Autobahnauffahrt Richtung München. Kurzak ist der Meinung, dass es dort auch mit der neuen Ortsumgehung Weßling im morgendlichen Berufsverkehr nicht zu Problemen kommen werde, weil die Autofahrer aus Etterschlag, die nach links in die Autobahn einbiegen, Vorfahrt hätten. Das ist falsch, sagt Kaindl und hat Recht. Denn Vorfahrt haben die prognostizierten 630 Verkehrsteilnehmer, die aus Weßling kommen, "katastrophale Staus" zu den Stoßzeiten seien programmiert. Damit gelte dort nicht mehr die Verkehrsqualität A (Bestnote), wie von Kurzak berechnet, sondern D (überlastet).

© SZ vom 10.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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