Witwe des Herrschinger Mordopfers:Sie kann nicht vergeben

Mordprozess nach 19 Jahren

Klaus G. hat vor mehr als 18 Jahren den Herrschinger Josef Enzesberger ermordet.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Vier Jahre lang konnte Erika Enzesberger nicht an der Stelle vorbeigehen, an der ihr Mann erschossen worden ist. Jetzt saß die Witwe des Herrschinger Mordopfers dem Schützen als Nebenklägerin gegenüber. Das Urteil ist nur ein kleiner Trost.

Von Christian Deussing, Herrsching/München

Nur wenige Meter sitzt sie dem Mann gegenüber, der ihr vor mehr als 18 Jahren den liebsten Menschen genommen hatte. Erika Enzesberger sieht den Angeklagten genau an, bis er ihren Blicken ausweicht. Die 61-jährige Haushälterin kann dem geisteskranken Mörder, der sein Opfer Josef Enzesberger mit dem damaligen Herrschinger Polizeichef namentlich verwechselt und ihn erschossen hatte, nicht vergeben. "Auch wenn er sich bei mir im Prozess entschuldigt hätte", sagte die Witwe am Donnerstag nach dem Urteil im Gespräch mit der SZ.

In diesen Tagen musste sie nochmals das schreckliche und unfassbare Geschehen vom 8. Januar 1996 durchleiden - als ihr Mann auf der Treppe vor der Haustür in Herrsching sterben musste. "Hautnah, alles kam wieder hoch", erzählt sie. Enzesberger empfindet jetzt aber ein wenig Erleichterung - darüber, dass dieser Mann dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik eingesperrt wird und "keinem Menschen mehr etwas zu Leide tun kann". Sie war in dem Mordprozess in München Nebenklägerin.

Sie wolle jetzt endgültig einen "Schlussstrich ziehen" und brauche nach den schweren Stunden in unmittelbarer Nähe des geständigen Täters vor allem viel Ruhe. Sie erinnert sich an den Moment, als Klaus G. im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wird, winkt und in die Kameras lächelt. Für die Frau des Opfers ein "furchtbarer Augenblick". Das ist also die Person, die ein unschuldiges Leben ausgelöscht und "meines zerstört hat", denkt Erika Enzesberger.

Ein kleiner Trost scheint für sie aber zu sein, dass dieses unbegreifliche Verbrechen ohne Motiv nach fast zwei Jahrzehnten endlich aufgeklärt ist - und die ewigen Gerüchte um Erpressung, ein mögliches Doppelleben ihres Mannes und um Auftragskiller endgültig verstummt sind.

"Pfiat di, bis Mittag" - das waren die letzten Worte des Bibliotheks-Mitarbeiters zu seiner Frau an dem frühen Januarmorgen, als sie zur Arbeit ging. Zuvor hatte das Ehepaar noch besprochen, was in einem Kleiderschrank zu sortieren sei und was man in zwei Tagen an ihrem Geburtstag unternehmen könnte. "Stattdessen kam dann mein Mann im Sarg aus der Rechtsmedizin", erinnert sich die zierliche Frau. Ihre Stimme wird brüchig.

Die fünf Treppenstufen vor dem Mehrfamilienhaus am Koebkeweg ist die Frau vier Jahre lang nicht hinuntergegangen. Auf der linken Treppenseite war Josef tödlich zusammengebrochen. "Ich wollte nicht über seine Seele steigen." Später überwand sie das Trauma. Die Witwe zog nie woanders hin und ließ lange Zeit das Bett ihres Ehemannes unverändert. Mittlerweile hat die Herrschingerin einen neuen Lebenspartner gefunden, der ihr viel Kraft gebe und sie, wie ihre Schwester, ins Gericht begleitete. Nun will die 61-Jährige nur noch eines: nach vorn schauen.

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