Wirtschaft:Starnbergs Einzelhandel in der Krise

Kofferladen, Papeterie, sogar eine Apotheke: Der Leerstand in der Innenstadt ist so groß wie seit Jahren nicht mehr. Geschäftsleute klagen über Konkurrenz im Internet - und Dauerstau, hohe Mieten und die Stadtpolitik.

Von Otto Fritscher

Von einem "Ladensterben" möchte Gerald Funk nicht sprechen, aber der Vorsitzende der Starnberger Cityinitiative, eines Zusammenschlusses von 80 Einzelhändlern und Gastronomen in Starnberg, sagt: "So viele leer stehende Geschäfte wie zurzeit habe ich in der Stadt in den letzten zehn Jahren nicht gesehen." Tatsächlich, das ergibt ein Rundgang durch die Innenstadt, stehen hier rund zehn Ladenflächen zur Vermietung, oder die Geschäfte werden in der nächsten Zeit aufgegeben, dazu kommen noch einige Betriebe in den Randlagen der Stadt, die in der nächsten Zeit schließen werden.

Wirtschaft: Detlef Heinrich hat seinen Laden schon ausgeräumt.

Detlef Heinrich hat seinen Laden schon ausgeräumt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Bei Detlef Heinrich etwa gehen in diesen Tagen buchstäblich die Lichter aus. Der Inhaber des Koffer- und Taschengeschäfts "Bagboard" am Bahnhof See verkauft gerade an ein Kunden-Ehepaar die Deckenleuchten, die diese dann in ihrer Wohnung verwenden wollen. Die Regale in seinem Geschäft sind beinahe leer, der Abverkauf läuft schon seit ein paar Wochen. "Spätestens nächsten Montag ist Schluss", sagt Heinrich, der nach zehn Jahr als Geschäftsmann im nächsten Jahr als Angestellter in einer Augenarztpraxis in Bogenhausen arbeiten wird. "Zu mir sind viele Kunden gekommen, haben sich beraten lassen - und dann im Internet gekauft", sagt Heinrich. "Das geht nicht."

Wirtschaft: Heidi Schmidt senkt die Preise.

Heidi Schmidt senkt die Preise.

(Foto: Arlet Ulfers)

Maja Riemann führt die "Papeterie", ein feines Papierwarengeschäft, seit 2001; im Januar 2019 ist endgültig Schluss. Sie klagt indes nicht über Starnberg als Einzelhandelsstandort, sondern führt persönliche Gründe ins Feld. "Ich geh' halt etwas früher in Rente", sagt sie und lacht. Sie habe mit ihrem Mann eine neues Zuhause in Starnberg gesucht. Aber: "Hier ist alles so teuer, dass wir uns eine Haus bei Graz bauen wollen." In der Maximilianstraße gibt es weitere Leerstände. Der ehemalige Parfümladen, aber auch die ehemalige Seeapotheke haben geschlossen. "Wir haben einfach nicht genügend Personal gefunden, um zwei Apotheken zu betreiben", heißt es aus dem Schwesterbetrieb Olympiaapotheke ein paar Häuser weiter. Die Fläche sei bereits wieder vermietet, "an einen Dienstleister". Genaueres will Fabian Friedrich, der mit seiner Firma Development Consult auf Gewerbeflächen spezialisiert ist, nicht sagen. Auch für den Parfümladen gebe es bereits Interessen. Was dem Vernehmen nach auch für den Laden der ehemaligen Buchhandlung Greiner gilt. An der Hauptstraße schließen das Spielwarengeschäft sowie die Lederboutique von Heidi Schmidt ein paar Häuser weiter. "Ich habe 45 Jahre gearbeitet, bin seit 21 Jahren hier im Lederwarengeschäft, es waren bessere und schlechtere Zeiten, aber ich bin zufrieden", sagt Schmidt, die sich nun ins Privatleben zurückziehen will.

Wirtschaft: Maja Riemann kurbelt mit Rabatten den Ausverkauf an.

Maja Riemann kurbelt mit Rabatten den Ausverkauf an.

(Foto: Arlet Ulfers)

Was sind die Gründe für diese Flaute im Einzelhandel? Auch Gerald Funk nennt die zunehmende Konkurrenz durch Amazon & Co. im Internet als einen Grund, ein anderer sei, dass der Ruf Starnbergs als Einkaufsstadt nicht der beste sei. "Wenn man von Starnberg spricht, denkt man doch immer als Erstes an den Dauerstau." Dabei gebe es fast zu jeder Tageszeit in der Maximilianstraße - neben der Wittelsbacher Straße die Haupteinkaufsmeile in der Kreisstadt - freie Parkplätze. Und Funk führt die Beratung ins Feld, die man im Online-Shop nicht bekomme. Für Detlef Heinrich sind es auch die negativen Schlagzeilen über die gespaltene Stadtpolitik, die die Einkaufslust vor allem von Auswärtigen ausbremsen. "Viele kommen doch gar nicht erst nach Starnberg zum Einkaufen, sondern fahren gleich nach München."

Makler Friedrich führt aber noch einen anderen Grund ins Feld. Manche Immobilienbesitzer verlangen in der Innenstadt 18 bis 45 Euro Miete für einen Quadratmeter Ladenfläche. "Das muss man erst mal erwirtschaften", sagt Friedrich. Sein Fazit: "Der Einzelhandel in Starnberg steckt in einer Krise." Er kann sich vorstellen, dass künftig mehr Flächen an Anwälte, Beratungsunternehmen und Agenturen vermietet wird, etwa zum halben Preis.

Cityinitiative-Chef Funk sieht einen Ausweg nur im Zusammenspiel von Unternehmern, seiner Vereinigung und der Stadt. "Manche haben noch nicht begriffen, wie ernst die Lage ist." Fabian Friedrich hält indes das diskutierte Flächenmanagement für überflüssig. "Das regelt der Markt, und eine gewisse Fluktuation ist normal." Funk ist überzeugt: "2019 wird ein schweres Jahr für den Handel in Starnberg." Aber es gibt auch positive Veränderungen: Der SMS, der Stadtmarkt an der Josef-Jägerhuber-Straße wird renoviert, im Januar oder Februar soll der große Edeka-Markt im Untergeschoss eröffnen.

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