Lokale Wirtschaft:Firmen kappen ihr Russland-Geschäft

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Ein Webasto-Mitarbeiter war im Januar 2020 der erste nachgewiesene Coronavirus-Fall in Deutschland. Er hat sich vermutlich bei einer Kollegin angesteckt, die aus China eingereist war. (Foto: Georgine Treybal)

Nach Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine hat Webasto seine Lieferungen in Richtung Moskau eingestellt. Der Automobilzulieferer ist nicht das einzige Unternehmen, das Konsequenzen gezogen hat.

Von Christian Deussing und Christina Rebhahn-Roither, Starnberg

Der anhaltende Krieg in der Ukraine beschäftigt auch den Landkreis Starnberg. Geflüchtete Menschen kommen hier an und werden untergebracht, es finden Solidaritäts- und Spendenaktionen statt. Doch auch wirtschaftlich wirkt sich der Krieg auf die Region aus: So manches Unternehmen hat sich in der aktuellen Situation mit seinen Beziehungen zu Russland kritisch auseinandergesetzt - und die Geschäftsbeziehungen gekappt.

Der Automobilzulieferer Webasto zum Beispiel, der in Russland Vertriebs- und Verwaltungsstandorte hat, teilt auf Anfrage der SZ mit: "Webasto liefert seit zwei Wochen keine Produkte mehr nach Russland." Die Lieferungen zu Fahrzeugherstellern und Händlern in Russland umfassten vor allem Standheizungen, heißt es. Die etwa 60 Webasto-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Russland befinden sich laut dem Unternehmen aktuell in Kurzarbeit. Was den Vertrieb betrifft, gehe es nur mehr um den Verkauf von Lagerware, die schon vorhanden ist. Den Lieferstopp gibt es seit der Woche vom 28. Februar, wie lange er anhalten wird, sei noch nicht absehbar, teilt Webasto mit.

Was bedeutet das für den Umsatz des Unternehmens, das seinen Hauptsitz in Stockdorf hat? 2021 hatten die Geschäfte mit Russland nur einen "sehr geringen Anteil" am gesamten Umsatz, so die Firma, die sich diesbezüglich optimistisch gibt. "Derzeit schätzen wir die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges auf Webasto als gering ein." Wirft man wiederum einen Blick auf die Ukraine, so hat die Situation dort derzeit noch unklare Auswirkungen auf das Geschäft, denn es sei "aktuell nicht absehbar, wie stark unsere Kunden mit Standorten oder Lieferanten in der Ukraine betroffen sein werden." Für Standorte in Deutschland könne die Firma nicht ausschließen, dass sie "Produktionskapazitäten noch im März anpassen" müsse. Auch in deutschen Produktionsstätten ist bei Webasto Kurzarbeit also nicht ausgeschlossen.

Auch das DLR in Oberpfaffenhofen hat alle "bilateralen Kooperationen" mit russischen Organisationen ausgesetzt

Neben Webasto hat auch 3M gehandelt. Von Seiten des Technologiekonzerns mit einem Standort in Seefeld heißt es auf Anfrage: "Nach einer Bewertung unseres Geschäfts in Russland haben wir beschlossen, alle Aktivitäten dort auszusetzen." Das gilt laut 3M seit Mitte vergangener Woche und betrifft in Russland einen großen Werksstandort.

Auch das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) mit seinem Standort Oberpfaffenhofen hat Konsequenzen gezogen: Wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine hat der Vorstand beschlossen, "bilaterale Kooperationen" mit russischen Institutionen bei laufenden oder geplanten Projekten zu stoppen. Es werde auch keine neuen Projekte oder Initiativen mit Institutionen in Russland geben, betont DLR-Sprecher Andreas Schütz. Um welche Vorhaben es in Oberpfaffenhofen konkret geht, wollte er nicht mitteilen.

Die Wirtschaft im Landkreis Starnberg schaue mit großer Sorge auf den Krieg und die sich überschlagenden Ereignisse, sagt Katja Lindo, Starnberger Kreisvorsitzende der Industrie-und Handelskammer (IHK). Die Verunsicherung der Unternehmen sei sehr hoch. Neben drohenden Cyberangriffen auf Betriebe sowie unterbrochenen Lieferketten bestehe laut Lindo das Risiko, das durch den Krieg und die beschlossenen Sanktionen die Preise für Rohstoffe und Energie weiter steigen könnten. Die IHK unterstütze aber die verhängten Sanktionen gegen Russland unter dem Putin-Regime. Denn der russische Angriffskrieg habe die "Basis für tragfähige wirtschaftliche Beziehungen und ein vertrauensvolles Miteinander für die nächste Zeit zerstört", sagt die Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg. Lindo gibt jedoch auch zu bedenken, dass ein Stopp der Energielieferungen aus Russland nach Bayern die hiesige Wirtschaft "ins Mark treffen" könne.

"Die Standortfaktoren müssen regelmäßig geprüft werden", sagt Katja Lindo, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es gebe viele Fragen von betroffenen Firmen aus Oberbayern an die IHK, berichtet deren Pressereferent Florian Reil. Zum Beispiel: Wie soll man die Sanktionen umsetzen? Welcher Zahlungsverkehr ist bei offenen Rechnungen noch zulässig? Um den Unternehmen direkt zu helfen, habe die IHK München eine Taskforce eingerichtet, sagt Reil. Nach seinen Angaben sind etwa 1200 bayerische Firmen in Russland und circa 500 in der Ukraine aktiv.

Noch im vorigen Jahr hatte die Starnberger Firma Econ Industries Kontakt zu russischen Kunden, die möglichen Geschäftsbeziehungen seien aber im Sande verlaufen, es seien also auch keine Verträge für Maschinen abgeschlossen worden, teilt das Unternehmen mit. Bei Econ ist man angesichts der Krisenlage nun sehr froh darüber. Die Firma agiert weltweit und recycelt gefährliche Industrieabfälle und entfernt Schadstoffe aus kontaminierten Böden.

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