Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Erfolgreich in der ganzen Welt

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Der Astopark in Oberpfaffenhofen besteht seit genau zehn Jahren. Nach der Pleite von Dornier 2002 sind hier 2000 neue Arbeitsplätze entstanden

Von Otto Fritscher, Oberpfaffenhofen

Es ist der florierendste Wirtschaftsstandort im Landkreis Starnberg: der Luft- und Raumfahrt-Cluster rund um den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen. Mehr als 7000 Menschen arbeiten hier, rund 2000 von ihnen in den 70 Firmen, die sich im Astopark eingemietet haben. Es sind Schwergewichte dabei wie Satellitenbauer OHB, Diehl Aviation, die aus dem ehemaligen AOA Apparatebau Gauting hervorgegangen ist; der Flugzeugbauer Dassault hat eine Niederlassung hier, aber auch hippe Startups wie Lilium Aviation, die am Flugtaxi der Zukunft, einer senkrecht startenden Drohne für Passagiere, arbeiten. Der Startschuss für den Astopark fiel vor zehn Jahren - ein Jubiläum, das am Donnerstag groß gefeiert wurde.

Am Anfang stand die Krise: Es war ein Schock, als der Flugzeugbauer Fairchild Dornier im April 2002 beim Amtsgericht Weilheim Insolvenz anmeldete. In der Folge gingen mehr als 4500 Arbeitsplätze verloren, die Zukunft des Sonderflugplatzes stand auf der Kippe. "Mit einem Schlag drohten 80 Jahre Luftfahrtgeschichte unterzugehen", sagt Bernd Schulte-Middelich. So erhielten er und sein Geschäftspartner Ekkehard Fabian, beide Gründer der Astopark GmbH, 2003 von der Staatsregierung den Auftrag, zu prüfen, mit welchem Konzept Oberpfaffenhofen wiederbelebt werden könnte.

Zwei Jahre wurde mit den Gemeinden Gilching, Weßling und Gauting, dem damaligen Grundeigentümer Eads (heute Airbus) und dem Landkreis nachgedacht und verhandelt, bis klar war: Hier sollte ein neuer Nukleus, ein Kern, für Anwendungen rund um die Luft- und Raumfahrt entstehen. Anfang 2006 mietete die Asto das ehemalige Dornier-Ausbildungszentrum, dort entstand der erste Inkubator - Brustkasten - für 25 Startups, nicht zuletzt Ausgründungen aus dem benachbarten Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). 2008 wurde der Spatenstich für das erste eigene Gebäude - und damit für den Astopark - gelegt. Es wurde weiter gebaut und geplant, bis heute, mit dem Marriott-Hotel ist jetzt das letzte Grundstück belegt. Rund 1200 Arbeitsplätze in 70 Firmen bietet der Astopark. Eine Erfolgsstory.

Die Festredner überschlugen sich mit Lobeshymnen auf den Astopark und dessen Gründer Bernd Schulte-Middelich und Ekkehart Fabian. Pater Valentin vom Kloster Andechs eröffnete den Reigen, "denn die Kirche steht auch in Bayern über der Staatsregierung", frotzelte Schulte-Middelich. Valentin sprach dann von den benediktinischen Tugenden "Beharrlichkeit, Geduld und Treue", Eigenschaften, die auch den Astopark-Chefs immer wieder zugesprochen wurden. Hans Reichhart, Staatssekretär im bayerischen Finanzministerium, sprach von Oberpfaffenhofen als einem "deutschlandweit renommierten Spitzenareal" und fügte hinzu: "Hier wird aus Science Fiction Realität". Dies zeigte etwa der Mars-Rover bei der Ausstellung von 27 im Astopark beheimateten Firmen im Foyer des nagelneuen Marriott-Hotels.

Ein Roboter, der Emotionen erkennt: Wer glaubt, dass es sich bei diesem Ding um ein nettes Lego-Spielzeug handelt, sieht sich getäuscht. "Es ist ein Roboter, der anhand künstlicher Intelligenz aus der Sprache die Emotionen seines Gesprächspartners erkennen kann", erklärt Dagmar Schuller, Gründerin und Chefin von "Audeering". "Intelligente Audioanalyse" heißt das bei den Wissenschaftlern. Das Unternehmen, ein Spin-off der TU München wächst im Astopark rasant. Momentan hat Audeering 30 Mitarbeiter, bis zum Jahresende sollen es schon mindestens 40 sein.

Handgriff aus dem 3D-Drucker: Das Ding sieht ein bisschen aus wie eine simple Seifenschale, aber es steckt Hightech darin: Den Hangriff für eine Flugzeugtür an der Do 328 ist bei der Firma "Materialise" mit einem 3D-Drucker hergestellt worden. Auf dieses Verfahren der sogenanten additiven Fertigung hat sich das Unternehmen spezialisiert, das seit 2012 sein Vertriebsbüro im Astopark hat. Vorher war die Firma im Argelsrieder Feld in Gilching ansässig. "Hier ist es so schön international, man hört in der Kantine Englisch, Französisch und andere sprachen", sagt Verkaufsdirektorin Sonja Rasch.

Alte TK-Anlagen aufgemotzt: "Green IT" ist einer der Treiber in der Informationstechnologie. Den Gedanken, dass IT auch ökologisch verträglich sein muss, hat die Firma "iTancia" von Anfang an in die Tat umgesetzt, indem sie alte Telekommunikationsanlagen mit modernem technischem Innenleben aufmotzt. "Natürlich werden aus hygienischen Gründen auch Hörer, Spiralkabel und Tastatur getauscht", sagt Hermann Rogge, Deutschland-Chef der 1992 in Frankreich gegründeten Firma. Sieben Mitarbeiter kümmern sich vom Astopark aus um Vertrieb und Akquise.

"Oberpfaffenhofen ist weltweit premium", sagte die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig, und Landrat Karl Roth sprach von einem "großartigen Tag für den Landkreis". Er freute sich, dass bereits Anfang August der Express-Bus von Großhadern nach Oberpfaffenhofen startet. Gilchings Bürgermeister Manfred Walter erinnerte sich, wie ihm kurz nach seinem Amtsantritt vor zehn Jahren Schulte-Middelich und Fabian die ehrgeizigen Pläne für den Astopark vorstellten. "Ich habe es nicht so recht geglaubt, aber es ist viel mehr entstanden, als je gedacht war." In der Tat hat die Astopark GmbH noch große Pläne: Neben den bestehenden 55 000 Quadratmetern bestehenden Gewerbeflächen sind weitere 60 000 Quadratmeter in Planung oder schon im Bau, vor allem im benachbarten Gewerbegebiet Gilching-Süd. Doch auch in die Entwicklung der geplanten Gewerbegebiete beim Sonderflughafen auf Gautinger Flur und im Starnberger Ortsteil Schorn beim Autobahndreieck Starnberg sind Schulte-Middelich und Fabian eingebunden. "Wir ruhen uns nicht aus", kündigte Schulte-Middelich an. Nur ein Redner erinnerte angesichts der großen Erfolgsgeschichte des Technologie-Clusters Oberpfaffenhofen daran, dass es nach der Pleite von Dornier auch Mahnwachen und Demonstrationen gegen die Fortsetzung des Flugbetriebs und des Luftfahrt-Standorts gegeben hatte. Und noch eines ist bemerkenswert: "Inzwischen können sogar die Amerikaner in der Marriott-Zentrale Oberpfaffenhofen richtig aussprechen", witzelte Hoteldirektor Arnulf Daxer.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2018
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