"Am 22. Oktober gehen wir runter." Mit "runter gehen" meint Till Weiß den Weg von Etterschlag nach Steinebach, der freilich alles andere als ein Abstieg ist. Der 38-Jährige wechselt vom Restaurant im Golfclub Wörthsee zum "Augustiner am Wörthsee". Offiziell zum 1. November, aber "vorher müssen wir schon einräumen und vorkochen", sagt er. Weiß löst Max Hippius ab, der seinen Pachtvertrag mit der Münchner Brauerei nicht mehr verlängern wollte.
Für Till Weiß und seine Frau Pamela ist der Wechsel eine echter Glücksfall. Schon seit einem Jahr hörten sie sich nach einer neuen Wirkungsstätte um. "Ich wollte wieder einen Ganzjahresbetrieb", sagt der Küchenchef. Vier Jahre leitete die Familie das Restaurant im Golfclub, was bedeutete: acht Monate Arbeit, vier Monate Pause. Als Koch mit Leib und Seele war ihm das zuletzt zu wenig.
Weiß ist gebürtiger Starnberger und in Hechendorf aufgewachsen. Seine Frau Pamela, 37, die 1989 mit ihren Eltern aus Sachsen in den Westen kam, kennt er schon aus der Schulzeit. "Wir sind jetzt 20 Jahre zusammen, seit 15 Jahren verheiratet." Das Paar hat zwei Söhne, zwölf und 16 Jahre alt. Ebenfalls zur Familie gehört Hündin Lucy, "ein reinrassiger Mischling". Und dann ist da noch Frank Unger, Noch-Wirt im Bürgerstadl Grafrath und Schwiegervater von Till Weiß. Er übernimmt im kommenden Frühjahr den Kiosk im Strandbad, das zum Augustiner gehört.
Pamela Weiß, gelernte Kauffrau für Bürokommunikation, ist für die Buchhaltung und den Service zuständig. Ehemann Till ist der Chef in der Küche und als solcher hat er eine Menge Erfahrung. Gelernt hat er im Seehaus Schreyegg in Stegen, er war Küchendirektor im Fünf-Sterne-Hotel Bachmair am Tegernsee, wo er 39 Köche unter sich hatte. Stationen davor waren unter anderem das Hotel Fürstenhof in Leipzig und das Westin Grand in München. Er habe immer schon einen kreativen Beruf lernen wollen, sagt Weiß. Eigentlich wollte er Kunstschmied werden, aber er hatte sich zu spät auf Lehrstellen beworben. Also Koch. Er hat es nie bereut.
Seit 23 Jahren steht Till Weiß nun schon in der Küche. Heute weiß er, dass sich die Gastronomie ändern muss. Wenn von 75 000 Betrieben in Deutschland jährlich 25 000 schließen und wiedereröffnen, "kann was nicht stimmen. Wir haben ein Arbeitsschutz- und Arbeitszeitengesetz und Registrierkassen." Heißt: Arbeitgeber sind dafür verantwortlich, dass ihre Angestellten ihre Schichten einhalten und nicht pausenlos Überstunden machen. Auch der Gast müsse umdenken. Ganztags warme Küche anzubieten, sei einfach nicht wirtschaftlich. Dann könne es auch gelingen, wieder mehr Arbeitskräfte für die Gastronomie zu gewinnen. Weiß hat damit kein Problem. Er übernimmt 70 Prozent der Augustiner-Mitarbeiter, die restlichen 30 Prozent bringt er vom Golfclub mit: drei Köche und vier Kellner. Vielleicht liegt die Treue seiner Mitarbeiter auch daran, "dass ich ein Freund der gewaltfreien Kommunikation bin". Einen Küchenchef und Geschäftsführer hat Weiß auch schon. Es ist sein Freund Matthias Esche, der vom Planegger Heide Volm an den Wörthsee wechselt.
Familie Weiß hat sich viel vorgenommen im Augustiner am See. Im Sommer ist die Gaststätte von 9 bis 23 Uhr, im Winter von 10 bis 23 Uhr geöffnet. Nach neun Uhr abends wird es aber nur noch drei Gerichte geben, von Mai bis September, wenn der größte Andrang herrscht, wird die Karte etwas verkleinert "zugunsten der Qualität und der Frische". Nudeltag - mit selbst gemachter Pasta -, Schnitzeltag, bayerisches Büffet, Fischmenü, Weißwurst-Frühschoppen am Sonntag oder auch mal Vietnamesisch: "70 Prozent regionale und 30 Prozent internationale Küche" will Weiß anbieten. Kuchen und Brot werden selbst gebacken, und unter "Wörthseer Glücksmomente" will er Gänseschmalz, Chutneys und Dressings aus der eigenen Küche verkaufen. Der Saal mit seinen 180 Plätzen ist groß genug für Hochzeiten, Weihnachts- und andere Feiern. Für den September plant Weiß ein Gourmetfestival mir Wirten aus der Umgebung.
Dass Augustiner Bräu einen neuen Pächter für Wörthsee sucht, hat Weiß durch Zufall vom Wirt des "Augustiner am Dom" erfahren. Er schrieb ein Konzept und bewarb sich. Gehobene Küche kann er, aber kann er auch bodenständig bayerisch? Das war eine wichtige Frage, die sich die Augustiner-Bosse stellten. Zum Vorstellungsgespräch brachte Weiß einen Probierkorb mit, dabei war unter anderem ein Kartoffelsalat. Er bekam den Job.