Wir öffnen Türen:Trutzig und gut verborgen

Bunkerbesitzer Alexander Brand

Alexander Brand, der mit seinem Bruder Richard seit 2015 Besitzer des Bunkers im Kerschlacher Forst ist, präsentiert das frühere Warnamt X.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Er ist ein Relikt des Kalten Krieges: der vierstöckige Bunker "Warnamt X". Von hier aus hätte man im Ernstfall die Sirenen Oberbayerns und Schwabens ausgelöst

Von Manuela Warkocz, Traubing

Dieser Geheimnis umwitterte Ort ist bis heute auf keiner Karte verzeichnet, mit keinem Navi zu finden. Weltvergessen im Wald zwischen Obertraubing und Kerschlach liegt das ehemalige "Warnamt X". Herzstück der Zivilschutzanlage aus dem Kalten Krieg: ein vierstöckiger Bunker. 1999 hatte der Münchner Büchsenmacher und Jäger Hartger Peterseil das 2,2 Hektar große Areal vom Bund erworben. Nach Peterseils Tod 2015 erbten seine Neffen Richard und Alexander Brand diese außergewöhnliche Liegenschaft. Während Künstler der Gruppe Aukio mit ihren Ateliers die militärisch unscheinbaren Aufenthalts- und Verwaltungsgebäude beleben, harrt der trutzige Bunker einer sinnvollen Verwendung. Er bleibt in der Regel zugesperrt. Außer wenn Verwalter Hermann Kirschner nach dem Rechten sieht. Oder einem Alexander Brand die Tür öffnet.

Die Bunkertür am Ende eines leicht aufsteigenden Ganges hat es in sich. Etwa 40 Zentimeter dick stemmt sich einem die wuchtige Hauptschleuse aus Stahl mit vier Verriegelungen entgegen. Brand kann sie dennoch dank eines Lenkrollenmechanismus leicht aufziehen. Dahinter verbirgt sich ein verschlungenes Gewirr von Korridoren und Räumen, engen Treppen, Rohren und Leitungen. Linoleumboden, blassgelber Anstrich, feucht-warme Luft. Neben Duschen ein Schild "Entgiftung", in einem Schacht himmelwärts Tritte in der Wand zum Notausstiegsdeckel. Vereinzelt weiße Tische, metallene Bettgestelle, Matratzen. Im Zentrum der Einsatzraum, groß wie ein Gymnastiksaal, Teppichboden, veraltete Monitore an der Wand.

Von hier aus hätte man im Kriegsfall oder bei Gefahrensituationen für die Bevölkerung die Sirenen Oberbayerns und Schwabens ausgelöst und Rundfunkwarnungen über den Äther geschickt. 200 Mann hätten im Bunker 30 Tage ausharren sollen. "So waren die Vorräte ausgelegt", sagt Kirschner. Es gibt eine integrierte Wasseraufbereitung, einen bis heute rundherum mit Kupfer abgeschirmten Telekommunikationsraum und Notstromversorgung. Einmal im Monat musste das 170 PS-Dieselaggregat aus dem Jahr 1957 getestet werden, ob es überhaupt noch funktionieren würde.

Vorstellen mag man sich nicht, wie das Leben von 200 Menschen im Bunker mit seinen Außenmaßen von 35 mal 30 Meter ausgesehen hätte. Die Mauern aus drei Meter dickem Stahlbeton, eingegossen mit einem Bleimantel sollten einer 1000-Kilo-Bombe standhalten. "Der Bunker bietet Schutz für die Auswirkungen einer Atomexplosion wie der Druckwelle, dem Feuersturm und der Radioaktivität", so Kirschner. Er lebt seit 36 Jahren auf dem versteckten Gelände, seine Vorfahren bewachten schon die Baustelle des Warnamtes. Eine Schutzfunktion gab es hier schon lang: An der Stelle erhob sich zuvor ein Feuerschutzturm aus dem Wald. Zehn Warnämter unterstanden in der Bundesrepublik Deutschland bis in die 1990er dem Bundesamt für Zivilschutz. Sie waren untere Bundesbehörden und fielen in den Bereich des Bundesministers des Inneren.

Nach der Auflösung der Warnämter wurde in Obertraubing kurzzeitig Geld gebunkert. Ende 2001 lagerten hier für ein paar Wochen die oberbayerischen Euro-Münzbestände. Dann wollte Privateigentümer Peterseil einen Schießstand einrichten. Dafür reichte aber der Platz nicht. Vorübergehend nutzte ein Selbstverteidigungstrainer den Bunker. Vereinzelt herumstehende Fitnessgeräte zeugen noch davon. Es finden sich auch Requisiten von Rollenspielern, die in der Anlage mit Life Action Role Plays Geschichten wie Herr der Ringe in Szene setzten.

Die Brand-Brüder wollen den Bunker als Kulturstätte erhalten und gern auch einer breiteren Öffentlichkeit zugängig machen. "Ein Museum mit Hintergrundinfos und Führungen ist denkbar", sagt Alexander Brand, als man aus dem Bunker wieder in die frische Nachtluft heraustritt. Auch für private Veranstaltungen oder als Filmkulisse wäre die leicht bizarre Location denkbar.

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