Wir öffnen Türen:Kleine Küche mit innerer Größe

Possenhofen: Jugendherberge Großküche

30 000 Gäste kommen im Jahr in die Jugendherberge, aber normalerweise schaut keiner hinter die Küchentür, wenn Lehrling Stanislav Farsky kocht.

(Foto: Nila Thiel)

Jörg Abbé kocht in der Jugendherberge in Possenhofen bis zu 500 Essen täglich

Von Armin Greune, Possenhofen

Von wegen "Großküche": Das wirkt doch ziemlich übersichtlich, was durch die Ausschanktheke des Speisesaals zu sehen ist. Und vom hektischen Betrieb, wie man ihn sich in einer Jugendherberge vorstellt, ist auch nichts zu spüren. Doch der Eindruck täuscht gewaltig: 30 000 Gäste übernachten jährlich in den 142 Betten, die Possenhofen bietet, im Schnitt müssen 80 Hungrige dreimal täglich versorgt werden. Und wenn auch noch der Zeltplatz belegt ist, sind am Tag bis zu 500 Essen gefragt: "Im Sommer kracht es hier schon extrem", sagt Küchenchef Jörg Abbé.

An diesem Vormittag haben allerdings nur 19 Personen gefrühstückt. Um 11 Uhr kommen noch 50 Schüler aus München dazu, die nur eine Nacht bleiben werden. Für ihr Mittagessen steht schon das tiefgefrorene Chili sin Carne in sechs großen Reinen bereit. Deshalb hat Abbé ausnahmsweise Zeit, sein Reich vorzustellen. Und beim Rundgang durch die kompakt erscheinende, offene Küche wird rasch klar, dass sie dank präzise geplanter Funktionalität eine enorme innere Größe aufweist. So kommt erst beim Ausklappen unter blank poliertem Edelstahl eine quadratmetergroße, rechteckige Pfanne zum Vorschein. Nach einer ersten Reinigung lassen sich Spülmittel und restliches Fett mit einem simplen Kippmechanismus in einen Gully im Küchenboden entleeren. Zwei mehr als mannshohe Kombidämpfer stehen an der Wand: Sie erwärmen Speisen schonend mit einem Dampf-Luft-Gemisch. Einer der Dämpfer ist mit Computerprogrammen als "Self Cooking Center" ausgestattet, das Abbé die meiste Arbeit abnehmen kann. Das Chili aber ist in einem der beiden 60 Liter fassenden Kessel entstanden. Selbst ein kräftiger Mann kann sie nicht mit Inhalt anheben, deshalb werden sie durch Zapfhähne entleert. Türen führen von der eigentlichen Küche zu den Nebenräumen. Darunter finden sich gleich vier begehbare Kühl- und Gefrierkammern, weil die strengen Hygienestandards für verschiedene Lebensmittel unterschiedliche Lagertemperaturen und Depots vorschreiben. Dazu wird täglich Frischware vom Bäcker und Metzger geliefert. Dennoch kommen oft Schockfroster und Vakuumierer zum Einsatz: Wenn sie gerade nichts anderes zu tun haben, bereiten Abbé und seine Kollegen Gerichte wie das Chili zu. "Cook and chill" heißt die Devise, wenn es die Personalsituation zulässt. Andere Gerichte aber - wie etwa panierte Schnitzel - werden stets komplett frisch zubereitet.

Drei Köche und zwei Halbtagskräfte sind in Schichten in der Jugendherberge sieben Tage der Woche mit der Essenszubereitung und -ausgabe beschäftigt. Der tägliche Dienst beginnt um 6.45 Uhr mit den Vorbereitungen fürs Frühstück und endet nach dem Abendessen um 19 Uhr. Nachts kommt dann noch eine Aushilfskraft, die das sogenannte Schwarzgeschirr - Töpfe, Pfannen, Roste und Bleche - vorreinigt, bevor es auch in die Spülmaschine geräumt wird. Einen weiteren Nebenraum beansprucht die Wasserenthärtungsanlage: Weil das Wasser in Pöcking extrem kalkhaltig ist, müssen die Stahlkugeln darin fünfmal in der Woche mit Salzwasser gewaschen werden. Das Regeneriersalz steht in 25-Kilo-Säcke bereit.

Bei Lebensmitteln aber bevorzugt Abbé Gebinde mit normalen, haushaltsüblichen Packungen. Das Zehn-Liter-Fass Rotkraut, das er im Trockenlager findet, ergibt aus seiner Sicht keinen Sinn, weil es nicht auf einmal aufgebraucht werden kann. Der Fehlkauf ist darauf zurückzuführen, dass bis zum Vortag akuter Personalnotstand geherrscht hat. Denn Abbé war ein Jahr lang krank geschrieben und auch sein Stellvertreter ist schon seit zwei Monaten ausgefallen. Da mussten nicht nur alle "Bufdis" - die Helfer vom Bundesfreiwilligendienst - mitanpacken, sondern auch die Rezeptionisten. Selbst die Herbergsleiter Christian Burggraf und Sabine Klarmann wurden vom Küchendienst nicht verschont. Für alle in der Jugendherberge ist es also eine große Erleichterung, dass Abbé wieder Regie führt - zumal er das Maximum an Erfahrung mitbringt: Er arbeitet seit der Neueröffnung 2002 als Küchenmeister in Possenhofen.

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