Wildtiere in der Stadt:Fuchs, du hast die Schuh' gestohlen

Berlin gilt als Wildschwein-Paradies, Kassel ist der Hort der Waschbären und Helsinki leidet unter einer Kaninchenplage. Wildtiere zieht es immer öfter in die Stadt. Im Würmtal bei München wird das jetzt zum Problem.

Gerhard Summer

Wie jedes vernünftige Wesen weiß, ist München vielleicht nicht die größte, wichtigste oder schönste Stadt, aber doch die gemütlichste von allen. Das hat sich auch unter Wildtieren herumgesprochen. Biber hausen an der Isar. Wildkaninchen machen sich in der Schwabinger Barbarasiedlung breit. Wildschweine verirren sich nach Großhadern. Zuletzt rammte ein Keiler ein Auto und verletzte eine Studentin schwer. Am Odeonsplatz treibt sich abends Meister Reinecke herum, und in Grünwald ist die Fuchsdichte sogar zehnmal höher als auf dem Land.

Fuchs auf Dach

Dass München vielleicht nicht die größte oder schönste Stadt ist, aber die gemütlichste, hat sich auch unter Wildtieren wie dem Fuchs herumgesprochen. 

(Foto: dpa)

Gut, wenn es um Quantität geht, kann München mit anderen Metropolen noch nicht mithalten. Berlin gilt als das deutsche Wildschwein-Paradies. Kassel ist der Hort der Waschbären, und verglichen mit der Kaninchenplage in Helsinki dürfte die freundliche Übernahme der Barbarasiedlung Hoppelkram sein.

Dafür ist nun am Rande von München ein Phänomen aufgetaucht, das bisher nur Orte wie Föhren (Rheinland-Pfalz) und Mössingen (Baden-Württemberg) kannten: ein Fuchs, der Schuhe klaut. Noch hat niemand den Räuber beim Beutezug gesehen. Aber Tatsache ist, dass in Stockdorf bei Gauting seit Monaten Schuhe, die nach dem Sport, der Gartenarbeit oder einer Wanderung auf die Terrasse oder vor die Haustür gestellt werden, nicht mehr sicher sind.

Später tauchen die fehlenden Exemplare auf einem abgelegenen Gelände an der Würm auf. Ein Anwohner sammelt sie auf und bringt sie zum Gautinger Bürgerbüro. Einzelne Exemplare wohlgemerkt, denn "der Fuchs hat nur ein Maul", wie Wilhelm Rodrian, Pressesprecher der Gemeinde Gauting, zutreffend sagt. 50 Schuhe sind jetzt zusammengekommen. Wobei der Dieb nicht wählerisch ist. "Jede Größe und Farbe, Turn- und Hausschuhe, für Herren oder Damen - er nimmt, was er kriegt", so Rodrian.

Dass die Sammelaktion einem tieferen Sinn folgt, ist eher unwahrscheinlich. Mit den Tretern lässt sich kaum noch etwas anfangen. Sie standen oft tagelang im hohen Gras und im Regen und müffeln. Weshalb die Mitarbeiter des Bürgerbüros auf ein Ende ihrer Leidenszeit drängen und den Stockdorfern ein Ultimatum bis zum 3. August setzen, Schuhe abzuholen.

"Absoluter Stuss"

Derzeit kursieren zwei Theorien, die erklären sollen, warum Schuhe für Füchse interessant sind. Die eine besagt, dass der Ledergeruch die Tiere anlockt und zu der Annahme verführt, sie hätten etwas Fressbares gefunden. Die andere bestätigt die Erfahrung von Männern, wonach das Horten von Schuhen nur weiblich sein kann: Nicht der Fuchs, sondern die Füchsin mopse alles, um dem Nachwuchs Spielzeug zu bringen.

Den Wildbiologe Andreas König überzeugt das nicht: "Absoluter Stuss", sagt er dazu. Seine Erklärung: "Die Schuhe riechen nach Salz vom Schweiß, wenn der Fuchs daran leckt, schmecken sie auch nach Salz. Das mögen viele Wildtiere. Und es gibt auch welche, die Marotten haben und Spaß daran finden, die Dinger wegzuschleppen."

Auch die Polizei hat kaum Zweifel daran, dass ein Fuchs der Stockdorfer Täter ist. "Ein weitverbreitetes Phänomen", sagt der Vizechef der Planegger Inspektion, Erich Greiner. Ihm ist im Winter am Schliersee ein Turnschuh geklaut worden - klar, von einem Fuchs.

Wenn Wildbiologe König recht hat, wird der Stockdorfer Schuhklau aber bald zum Phänomen in ganz München. Denn er glaubt, dass sich an der Peripherie der Stadt bald noch mehr Wildtiere ansiedeln als heute. "Das Ganze steht und fällt mit der Einstellung der Menschen", sagt er. "Und inzwischen haben die Leute nicht mehr Angst vor Wildtieren und füttern sie gezielt".

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