Der TSV 1860 München liegt vor dem FC Bayern. Ein Zustand, der zumindest im Männer-Fußball Jahrzehnte zurückliegt, ist in der Leichtathletik bei der 29. Auflage des Weßlinger Seelaufs tatsächlich eingetreten. Im Rennen der bis zu sieben Jahre jungen "Zwergerl" hatten zwei blaue Trikots mit dem Löwen auf der Brust das Ziel erreicht, ehe endlich das erste rote seinen Lauf beendete. Das fiel prompt einem Zuschauer - offensichtlich ein Fan der Sechziger - auf, was ihn sofort veranlasste, mit schelmischem Grinsen sein Handy zu zücken, um dieses persönliche Erfolgserlebnis aufzuzeichnen.
Das war nur eine der vielen Episoden, die sich am Sonntag auf dem Sportgelände des SC Weßling zugetragen hat. Insgesamt mehr als 430 Meldungen gingen für die angebotenen Streckenlängen ein. Vom ältesten Teilnehmer, dem 82-jährigen Herbert Goigner, bis zum dreijährigen Knirps waren alle Altersstufen vertreten.
Wettkampfleiterin Uta Heiden und Jörg Stierstorfer am Mikrofon konstatierten unisono, dass heuer der Anteil der weiblichen Aktiven "erfreulich hoch im Vergleich zu den letzten Auflagen" gewesen sei. Heiden bilanzierte zudem, dass auf dem gewohnten Umfeld des Sportgeländes doch "wesentlich mehr Platz zur Verfügung steht" als rund um den Pfarrstadl, dem Austragungsort im vergangenen Jahr. Weßlings Bürgermeister Michael Sturm, der mehrere Startschüsse abgab, und Weßlings SC-Vorsitzende Claudia Bruns als engagierte Helferin am Verpflegungsstand lobten jeweils die "engagierte und hochmotivierte Helferschar".
Zwar waren beim Zehn-Kilometer-Lauf heuer im Gegensatz zu den Vorjahren keine bayerischen Spitzensportler am Start, aber die gebotenen Leistungen konnten sich dennoch sehen lassen. Bei den Frauen siegte die vereinslose Kathrin Vogt in 43:58 Minuten vor der ehemaligen Regionalliga-Fußballerin Bernadette Angstwurm (44:19 Minuten). Letztgenannte überholte auf der letzten der vier Seerunden noch die Drittplatzierte Lena Wellensieck (45:05 Minuten). Vogt wie Angstwurm sprachen von "einer anspruchsvollen Strecke" und bemerkten, gerade die vielen Treppenstufen seien "enorm stressig" gewesen.
In die gleiche Kerbe schlug Felix Groß, der mit 36:07 Minuten bei den Männern dominierte. Bis zur dritten Runde lief Groß gleichauf mit dem zweitplatzierten Johannes Lapp, der dann aber etwas abreißen lassen musste und 36:24 Minuten unterwegs war. Groß, wie Lapp nicht vereinsgebunden, hatte die Seelauf-Ausschreibung im Internet entdeckt und nutzt diesen exakt vier Wochen vor dem geplanten Marathondebüt in Würzburg als Formtest. Insgesamt waren bei dem Lauf Zehner knapp 160 Aktive am Start.
Nicht allen ging es um vordere Plätze oder persönliche Bestzeiten. So war der Münchner Andreas Staffe wieder mit von der Partie, der Asthmatiker ist und auch aufgrund seines unübersehbaren Bauchumfangs nicht unbedingt den Prototyp eines Langstreckenläufers darstellt. "Ich habe mehrfach Gehpausen eingelegt, wenn mir das mein Messgerät angeraten hat", verriet er. Die letzte Läuferin erreichte gar erst mitten während der Siegerehrung der vorangegangenen Läufe den Zielkorridor. Das hielt die Zuschauermenge indes nicht ab, sie auf den letzten Metern lautstark anzufeuern.
Mehr als 80 Personen hatten sich für die 3,4Kilometer lange Seerunde angemeldet. Im Männerfeld wiederholte Lukas Bergmann (LG Würm Athletik/12:18 Minuten) deutlich seinen Vorjahreserfolg vor Thomas Borch (ohne Verein/13:01) und Elmar Bandmann (LG Kreis Dachau/13:36). Bei den Frauen war die 12-jährige Aliena Nonnenmann (kein Verein/15:04 Minuten) Schnellste. Die Plätze dahinter gingen an Juliane Goerigk (AdidasRunning/15:37) und Feli Yon Hague (SC Weßling/16:47).
Im Schülerlauf der Jahrgänge 2011 bis 2016 über knapp 1,5 Kilometer siegte bei den Mädchen Sophia Pohl /TSV Tutzing/5:55-Minuten) vor Lani Fleur Goßler (6:05). Finn Goßler (5:15) sowie Benjamin Hein (allesamt TV Emmering/5:32) gewannen bei den Buben. Die hohe Starterzahl von 90 Kindern erfreute Heiden: "So viele gab es bei uns schon lange nicht mehr."
Eine Gaudi war der "Zwergerllauf" mit einem ebenfalls großen Feld. Damit sich niemand verlaufen konnte, lief der 14-jährige Valentin Müller im Hundekostüm an der Spitze und geleitete alle auf den zwei Runden um den Fußballplatz sicher ins Ziel. "Dieser Lauf ist alljährlich mein absolutes Highlight. Es macht Spaß, den Kids beim Laufen zuzuschauen und zu merken, wie ihnen der Vergleich mit der Konkurrenz Freude bereitet", sagte Bürgermeister Sturm.
Im kommenden Jahr steht die 30. Auflage auf dem Programm. Für dieses Jubiläum, sagte Heiden, "müssen wir uns was einfallen lassen." Ergebnisse sind im Internet unter www.racepedia.de oder www.seelauf.eu zu finden.