Die ersten Meter ist das Wasser des Weßlinger Sees noch klar – so durchsichtig, dass man die von Algen überzogenen Kiesel am Grund sehen kann. Doch je tiefer man taucht, desto dunkler wird es. „Ab elf Metern sieht man dann nicht einmal mehr das Licht der Taucherlampe“, bereitet Stefan Koschke seinen Kollegen Marcus Sieper vor. Nahe dem schlammigen Grund in zwölf Metern Tiefe wirbelt jeder Flossenschlag eine neue Wolke aus Sedimenten auf, was die Sicht weiter trübt. „Wir lassen uns rückwärts vom Boot fallen. Unten wird es kalt sein, dunkel, wir werden viel tasten müssen“, sagt der Tauchlehrer.
Für Sieper ist das See-Ramadama eine Premiere: Zum ersten Mal ist der Physiotherapeut aus Krailling am Weßlinger See – und hat gleich einen ehrenamtlichen Arbeitseinsatz als Taucher. Die beiden wollen die Belüftungsanlage, die in der Seemitte Wasserfontänen in die Luft schießt, warten. Sie wollen Blätter und Algen aus dem Sieb am Lufteinlass fischen, die Befestigung für das Sprinklerrohr kontrollieren und dann mit zwei weiteren Tauchern Müll aus dem See sammeln. Ein Tauchgang also, bei dem es nicht ums Staunen über die Unterwasserwelt geht, sondern ums Anpacken und Aufräumen.
Tauchen mit Atemluftgerät ist am Weßlinger See normalerweise verboten. Doch für die vier Ehrenamtlichen des Polizeitauchsportvereins Starnberg (PTSV) hat die Gemeinde für den See-Ramadama eine Ausnahmegenehmigung beim Landratsamt erwirkt. Der Vereinsname ist ein Relikt: „Polizisten gibt es bei uns keine mehr“, sagt Koschke. Der PTSV ist ein offener Freizeitverein und bietet neben dem Tauchtraining auch Kinderschwimmen, Apnoetauchen und Aquajogging an – und eben auch gelegentliche Arbeitseinsätze unter Wasser.
Der Weßlinger See liegt Koschke besonders am Herzen. Er ist hier aufgewachsen, kennt die Gefahren durch Glasscherben oder scharfkantigen Müll. Und er weiß um die ökologischen Schäden: „Plastik und Mikroplastik bleibt auf ewig im See“, sagt er.
An diesem Tag liegt strahlender Sonnenschein über dem Weßlinger See. Spaziergänger bleiben stehen und schauen zu, wie die Taucher in ihre Neoprenanzüge schlüpfen. Auch Bürgermeister Michael Sturm beobachtet vom Steg aus die Aktion. „Vor ein paar Wochen haben wir an Land beim Ramadama Müll gesammelt – jetzt ist der See dran“, sagt er. Ein gewerblicher Tauchertrupp hätte die Gemeinde viel Geld gekostet. So bedankt sie sich gerne mit einer Brotzeit bei den ehrenamtlichen Helfern.


Marcus Sieper hat sich in sein dünnes „Unterziehzeug“ aus Neopren gezwängt, darüber trägt er einen neun Millimeter dicken Halbtrockenanzug aus Neopren – fast dicht genug, um trocken zu bleiben. Damit ihn der Auftrieb nicht nach oben drückt, schnallt er sich einen 12-Kilo-Bleigürtel um. Auch Felix Hiller, Mechatroniker für Kältetechnik, windet sich in seinen engen Anzug. Ingrid Fütterer bevorzugt einen Nassanzug, bei dem der Körper das eindringende Wasser zur Wärmeschicht aufwärmt. Dafür reichen fünf Kilo Blei zum Austarieren.
Für Fütterer ist der See ein vertrauter Ort aus Kindheitstagen. „Ich habe hier Schwimmen und Eislaufen gelernt“, sagt die kaufmännische Leiterin aus Germering. Heute liegt das Wasser ruhig da und schimmert in einem geheimnisvollen Grün. Friedlich sieht es aus, doch unter der Oberfläche wartet die Arbeit.
Koschke gibt letzte Anweisungen. Dann steigt er mit seinem Tauchpartner in das Feuerwehrboot, das sie zunächst zur Fontäne in der Seemitte bringt und später zu den Stegen an der Promenade. Bei einem Spaziergang hatte Koschke dort bereits Flaschen unter Wasser entdeckt. Zwei weitere Taucher wollen sich im Wasser entlang der Badewiese vorarbeiten. An Land stehen Helfer bereit, um die gefüllten Sammelnetze entgegenzunehmen. Am Steg haben sich inzwischen Schaulustige versammelt. Ein Junge zeigt auf einen Taucher. „Was machen die da?“, fragt er. Ein Landhelfer lacht und sagt: „Wir räumen den See auf.“

Ein letzter prüfender Blick, dann verschwinden die Taucher im See. Luftblasen steigen auf, sonst ist nichts mehr zu sehen. Unter der Oberfläche beginnt die Suche – im Wasser vor dem Badegelände, im Karpfenwinkel, an Stegen und Badehütten sammeln die Taucher ein, was andere weggeworfen haben: leere Flaschen, Glasscherben, Tontöpfe, kaputtes Geschirr, ein verrostetes Rad mit Speichen, Dachpappe, einzelne Schuhe, Plastiktüten, ein Staubsaugerrohr mit Bürste, ein Paddel, eine zehn Meter lange Hundeleine, eine Flosse, eine Kindermaske – und viel Plastik. Eine Glasscherbe lag mit der Bruchkante nach oben direkt am Steg. „Da hätte im Sommer jemand reinsteigen und sich schneiden können“, sagt einer der Helfer. „Wer wirft denn so etwas in den See?“, fragt eine Passantin. Niemand weiß eine Antwort.
Nach zwei Stunden ist der Einsatz beendet. Einer nach dem anderen taucht wieder auf, watet an Land, schält sich aus dem Neopren. Etwa fünf prall gefüllte Müllsäcke haben die Taucher gesammelt. Es gibt warmen Kaffee, etwas zu essen. „Der See ist bereit für die Badesaison“, sagt Koschke zufrieden zu den Zuschauern. „Und – wie war’s unten, habt ihr auch Fische gesehen?“, fragt ein Junge. Ja, haben sie – Karpfen, einen Waller. Trotz aller Arbeit blieb den Tauchern Zeit, die Stille unter der Oberfläche zu erleben, die geheimnisvolle Unterwasserwelt zu genießen und sich darüber zu freuen, dass sich Hobby und Verantwortung an diesem Tag auf ideale Weise verbinden ließen.