Süddeutsche Zeitung

Verkehrsberuhigung in Weßling:Von der Wirklichkeit überrollt

Mit dem Bau der Umfahrung soll es stiller in der Weßlinger Hauptstraße werden. Nun zeigt sich: Eine Verkehrsberuhigung ist nur in Maßen möglich, da weiterhin Platz für Lastwagen bleiben muss

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Fußgänger flanieren mitten auf der Fahrbahn. Stühle und Tische hat die Eisdiele wie eine große Insel auf die Straße gestellt, man hört lautes Lachen, man ist in bester Stimmung. Vorsichtig und langsam sucht sich ein Autofahrer mit seinem Wagen einen Weg durch die verkehrsberuhigte Hauptstraße in Weßling. Unfassbar, dass noch vor einem Jahr hier der Verkehr mit bis zu 22 000 Fahrzeugen täglich durchgebraust ist. Auf jener Ortsdurchfahrt, die ihre Anwohner seit Jahrzehnten mit stetem Verkehrslärm quälte. Dank der Umfahrung hat sich die Hauptstraße zur Flaniermeile gewandelt. Glückliches Weßling.

Dieser Traum wird leider so nicht in Erfüllung gehen. Er wird zwar immer noch gern geträumt, vor allem vom Verein für Verkehrsberuhigung Weßling, der sich in der Vergangenheit für den Bau der Umgehungsstraße stark gemacht und schließlich per Bürgerentscheid gesiegt hat. Aber mit der Realität, das zeichnet sich immer klarer ab, werden diese Vorstellungen nichts zu tun haben. Schon in der jüngsten Gemeinderatssitzung, als der neue Haushalt beschlossen wurde, deutete sich an, dass der Rückbau der Hauptstraße nach der Fertigstellung der Umfahrung im Herbst zu einer verkehrsberuhigten Gemeindestraße so nicht stattfinden wird. "Unser Ziel, dass nach dem Durchschneiden des roten Bandes für die Umfahrung gleich danach die Bagger in der Hauptstraße anrücken, werden wir nicht erreichen", sagte Bürgermeister Michael Muther. Die Gemeinde könne dort nicht so agieren, wie man gerne möchte. Vielmehr müsse man sicher stellen, dass sich zwei Lastwagen begegnen können. "Die Riesenverkehrsentlastung wird es nicht geben", meinte Muther auf Anfrage.

Damit dürften sich die Gegner der Umfahrung bestätigt fühlen - und indirekt auch der Weßlinger Bürgermeister, der wegen der Kosten und wegen des Eingriffs in die Landschaft von den Plänen nicht gerade begeistert war. Zur Erinnerung: Die Gemeinde beteiligt sich im Rahmen des Sonderbaulast-Programms mit 2,2 Millionen Euro am Bau, was zu einer angespannten Finanzlage geführt hat. Entsprechend emotional ging es vor dem Bürgerentscheid zu. Die Befürchtung der Umfahrungsgegner war damals, dass der Bau der Straße kaum etwas für Weßling bringen werde. Laut einem Verkehrsgutachten werden auch nach Fertigstellung der neuen Straße zwischen 8000 und 10 000 Autos durch die Gemeinde fahren. Der Verkehr wird sich also halbieren, was die Befürworter allerdings als Fortschritt betrachten.

Bislang war man aber in Weßling davon ausgegangen, dass die Ortsdurchfahrt durch Reduzierung der Straßenbreite, durch Verkehrsinseln und durch breite Bürgersteige so unattraktiv für Autofahrer wird, dass sie lieber die Umfahrung nutzen. Nun stellt sich heraus, dass selbst für den Schwerlastverkehr genügend Raum vorhanden sein muss. "Einfach Blumenkübel reinstellen und die Straße dadurch verschmälern, ist so nicht möglich", weiß inzwischen Bürgermeister Muther. Auch das Staatliche Bauamt Weilheim bestätigt, dass "der verbliebene Verkehr abwickelbar bleiben muss". Und was noch dazu kommt: Bei einem Unfall auf der Umfahrung gilt die Hauptstraße als "Umleitungsstrecke" und muss "es auch bleiben", so die Weilheimer Straßenbauer. Zwar ist nach der Herabstufung der Hauptstraße zur Gemeindestraße nicht mehr Weilheim zuständig, sondern das Landratsamt Starnberg und die Polizei in Herrsching, diese aber müssen sich auch an die Vorgaben halten.

Roland von Rebay, der frühere Vorsitzende des Vereins Verkehrsberuhigung und Mit-Initiator des damaligen Bürgerbegehrens pro Umfahrung, glaubt immer noch, dass eine schnelle Verkehrsberuhigung möglich ist. "Wir haben ein Konzept vorgelegt, wie ohne großen Aufwand unser Ziel erreicht werden kann", meinte er im Gemeinderat. Zum Beispiel durch die Einführung der Rechts-vor-Links-Regelung oder durch Verkehrsinseln. "Das kostet nicht viel." Den Rückbau schätzt man auf etwa zwei Millionen Euro. Rebay schlägt hier alternative Finanzierungskonzepte vor, um die Gemeinde zu entlasten. Was wirklich kommen wird: An der A 96 werden die Hinweisschilder auf Weßling von der Ausfahrt Oberpfaffenhofen nach Wörthsee versetzt.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2016
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