Süddeutsche Zeitung

Weßling:Viel Lob und ein bisschen Protest

Die Weßlinger Umfahrung ist eröffnet. Bei der Einweihung der Straße ist die Freude groß, weil die Straßenbauer früher als geplant fertig wurden. Gegen das Projekt demonstrieren wieder Wörthseer Naturschützer

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Seit Montagnachmittag gibt es eine neue Straße im Landkreis Starnberg: die Weßlinger Umfahrung. Genau um 14 Uhr hatte der Weßlinger Bürgermeister Michael Muther zur Eröffnung und Einweihung der 3,3 Kilometer langen Umgehung eingeladen - und viele Weßlinger machten sich zu Fuß auf den Weg, um dabei zu sein. Gekommen waren auch die Bürgermeister aus Gilching, Manfred Walter, und Seefeld, Wolfram Gum. Die Wörthseer Gemeindechefin Christel Muggenthal hatte es vorgezogen, der Feier fern zu bleiben. Sie hatte es schon vorher angekündet; bekanntlich ist sie keine Freundin der neuen Straße, die Weßling vom Verkehr entlasten soll.

Dass dennoch Wörthseer gesichtet wurden, lag am dortigen Bund Naturschutz und den Grünen. Allerdings waren sie nicht zum Gratulieren, sondern zum Demonstrieren nach Weßling gefahren, was sie nicht nur mit schwarzen Fahnen sichtbar machten, sondern auch mit einem Kranz, an dem eine Trauerschleife flatterte. Die Demo hat inzwischen Tradition: Auch beim Spatenstich protestierte ein Häuflein Naturschützer gegen den Bau der Straße.

Bei den anderen Gästen herrschte aber gute Stimmung, die noch ausgelassener ausgefallen wäre, hätte nicht ein eisiger Wind geweht und die Leute frösteln lassen. Die Festreden fielen entsprechend kurz aus. Den Reigen der Redner eröffnete Bürgermeister Muther, der sich bei seiner Vorgängerin Monika Meyer-Brühl bedankte, die die Vorarbeit für den Bau geleistet habe. Sein Dank galt auch Ludwig Ostermayer, der mit seinem Verein Verkehrsberuhigung Weßling mehr als 20 Jahre für die Umfahrung gekämpft hatte und es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen ließ, an der Feier teilzunehmen. "Ich bin froh und glücklich, dass es endlich so weit ist", meinte der bald 90-Jährige.

Was sehr ungewöhnlich ist, war Muthers Dank an den Rechtsanwalt Walter Labbé, der bei den Verkaufsverhandlungen die Interessen der Grundstücksbesitzer, also hauptsächlich der Bauern, vertrat. "Er hat faire Konditionen ausgehandelt, mit denen auch wir leben können", lobte Muther. Und weil der Weßlinger Gemeindechef an diesem Tag nicht mit Lob geizen wollte, erhielt auch die Staatliche Baubehörde Weilheim, deren Chef Michael Kordon zur Einweihung gekommen war, ein Dankeschön. "Als wir sahen, dass ein Radweg fehlt, hieß es: Das kriegen wir schon hin, und so kam es auch", sagte Muther und verwies so darauf, dass auch Behörden sehr schnell entscheiden können, wenn sie wollen. Klar war - und das betonte ein Vertreter des bayerischen Wirtschaftsministeriums -, dass die Straße ohne eine Vorfinanzierung noch nicht gebaut wäre. Dennoch ist die Vorgeschichte der Weßlinger Umgebung lang. Vor etwa 20 Jahren hatte der Weßlinger Gemeinderat noch unter der Leitung von Bürgermeister Hans Thomas Mörtl beschlossen, einen Antrag beim Straßenbauamt zu stellen. Herbert Wolleschak, der frühere und langjährige Vorsitzende des SC Weßling und damalige CSU-Gemeinderat, gehörte zu denjenigen, die den Bau befürworteten. Auch er zeigte sich am Montag zufrieden. "Dass es so lange dauert, hätte aber keiner geglaubt", sagte er.

Für Kordon, den Chef des Staatlichen Bauamts, waren an diesem Tag zwei Dinge wichtig: "Wir sind früher fertig geworden, und wir bleiben im Kostenrahmen." Gute neun Millionen Euro kostet der Bau der Umfahrung. Kordon wünschte den Weßlingern, dass künftig "alle Leute um den Ort drumherum fahren" mögen. Nachdem Landrat Karl Roth die Wichtigkeit der Umfahrung für den Landkreis betonte, schritten die beiden Weßlinger Pfarrer Anton Brandstetter und Constantin Greim zur Segnung der neuen Piste, die allerdings den Menschen galt, die sie mit ihrem Auto benutzten. Mit dem Durchschneiden des weißblauen Bandes endete die Feier, die später im Pfarrstadel bei Häppchen, Kaffee und Sekt im Warmen fortgesetzt wurde.

Ein Teil des Bandes schnappte sich der Weßlinger Archivar Erich Rüba. "Das Band ist Ortsgeschichte und kommt ins Archiv", sagte er. Da hatte er recht. Denn tatsächlich war dieser 28. November für die Gemeinde mit ihren 5400 Einwohnern ein historischer Tag. Für Anton Appel, den früheren Leiter der Weßlinger Volksschule, bedeutet die Einweihung der Straße erst einmal Arbeit. Denn er hatte stets verkündet, dass er sein Haus in der Hauptstraße erst streichen werde, wenn eine Umfahrung gebaut ist. Nun muss er ran. Damit er es auch tut, erhielt er von Muther einen Gutschein über fünf Kilo weiße Farbe.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2016
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