Weßling:Streit um Kinderkrippe eskaliert

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Gegenseitige Vorwürfe in einer Sondersitzung in den Ferien: Gemeinderäte und Verwaltung fühlen sich als "Deppen" hingestellt.

Wolfgang Prochaska

Der Ausbau der Kinderkrippen im Landkreis Starnberg entwickelt sich für jene Gemeinden, die viel Nachwuchs haben, zu einem kaum überschaubaren Kostenfaktor. Jüngstes Beispiel für die Kostenexplosion im Bereich der Kinderbetreuung ist Weßling. Um den gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz im nächsten Jahr zu genügen, muss die finanziell angeschlagene Gemeinde rund eine Million Euro mehr ausgeben als geplant. Vorgesehen sind der Bau einer Kinderkrippe und ein zusätzlicher Anbau für den großen Kindergarten.

Die Betreuung von Kleinkindern ist teuer. Die Weßlinger müssen eine Million Euro mehr ausgeben, als sie geplant hatten. Foto: Patrick Seeger/dpa (Foto: dpa)

Allerdings führt das erweiterte Angebot zu erheblichen Verwerfungen bei der Kinderbetreuung in den Weßlinger Ortsteilen. So muss, um kurzfristig Platz zu schaffen, der kleine Hochstadter Kindergarten aufgelöst werden. Dort entstehen künftig Krippenplätze. Gleichzeitig werden die dortigen Kindergartenkinder im Hort untergebracht. Was die Sache noch unübersichtlicher macht und sich für viele kinderreiche Kommunen als Dilemma herausstellt: Niemand vermag vorherzusagen, wie viele Krippenplätze künftig notwendig sind. Dies hängt vom Zuzug ab und vom Wunsch junger Paare, Kinder zu bekommen. Fehlplanungen sind nicht auszuschließen.

Wie schon eine kleine Veränderung, nämlich die Schließung eines Kindergartens, zusätzlich das Problem verschärft, zeigt auch das Beispiel Weßling. Die Schließung der kleinen Hochstadter Einrichtung hat die betroffenen Eltern so erbost, dass Bürgermeister Michael Muther, der schon wegen des Baus des neuen Weßlinger Feuerwehrhauses heftig kritisiert wurde, weiter unter Druck geriet. Ihm blieb nichts anderes übrig, als mitten in den großen Ferien eine Sondersitzung zum Thema Krippenplätze einzuberufen. Wie sich in der Sitzung am Dienstag zeigte, liegen nicht nur bei den Eltern die Nerven blank, sondern auch bei den Gemeinderäten und bei der Rathausverwaltung. Der Auslöser der bald lauten Debatte war eigentlich ganz harmlos: Die Leiterin des Rathauses, Monika Hagemann, stellte in einer Übersicht die Zahl der Kindergartenkinder und die Krippensituation vor. 164 Kinder gehen in den Kindergarten, 91 in eine Kinderkrippe. Diese Übersicht hatten die Gemeinderäte in früheren Sitzungen schon gefordert. Hintergrund war die Frage, ob nicht der Bau von zwei Kinderkrippen sinnvoller wäre als ein vergrößerter Kindergarten und nur eine Kinderkrippe. Dies hatte Rasso von Rebay (Freie Wähler) vorgeschlagen, um möglichst hohe Zuschüsse zu erhalten. Muther lehnte dies ab, da er die Rückzahlung der Zuschüsse fürchtete, sollte die zweite Krippe nicht genügend ausgelastet sein. Auch mit seinem Konzept würde die Gemeinde auf eine Versorgung von mehr als 50 Prozent kommen und damit dem Rechtsanspruch genügen. Zudem dränge die Zeit. Als Ersatz für Hochstadt will er dort einen Waldkindergarten installieren.

Das Gremium sah dies anders und kritisierte die falsche Verteilung der Betreuungseinrichtungen im Ort. Gemeinderat Michael Sturm forderte zwei Kinderkrippen, Muther wies auf einen alten, einstimmigen Beschluss hin und schimpfte: "Das ist wieder einmal die Weßlinger Spezialität, alles umzuschmeißen." Es wurde laut, vor allem weil sich Sturm nicht als "Depp" hinstellen lassen wollte. Muther konterte: "Ihr stellt doch die Verwaltung als Deppen hin." Am Ende wurde doch das alte Konzept beschlossen. Allerdings soll geprüft werden, ob man den vergrößerten Kindergarten nicht später auch als Krippe nutzen kann. Aktuell gibt es laut Landratsamt 4347 Kindergartenplätze in 79 Kindergärten. Dazu kommen 16 Horte, 19 Kinderkrippen und vier "Netz für Kinder", so dass die Situation schon jetzt relativ gut ist. Weitere Krippen entstehen gerade.

© SZ vom 17.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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