Weßlinger Robotikfirma SensodriveVom Start-up zum Mittelständler

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Produktionsleiter André Seifert, Geschäftsführer Norbert Sporer und Entwicklungsleiter Sebastian Wenleder (v.l.n.r.) präsentieren ihr frisch sicherheitsgeprüftes Robotik-Gelenk.
Produktionsleiter André Seifert, Geschäftsführer Norbert Sporer und Entwicklungsleiter Sebastian Wenleder (v.l.n.r.) präsentieren ihr frisch sicherheitsgeprüftes Robotik-Gelenk. (Foto: Nila Thiel)

Vor gut 20 Jahren begann das Weßlinger Robotik-Unternehmen Sensodrive als Start-up im Keller. Mittlerweile gilt es als führend in seiner Branche - auch dank einer kleinen, silbernen Büchse.

Von Lilly Fels, Weßling

Mit dem TÜV kommen die meisten Menschen nur alle zwei Jahre in Berührung, wenn das Auto wieder zur Hauptuntersuchung muss. Das Hightech-Unternehmen Sensodrive hat sich jetzt ganz besonders darüber gefreut, durch den TÜV gekommen zu sein – das positive Testergebnis könnte die Robotik-Branche nämlich nachhaltig prägen. Geprüft wurde in diesem Fall aber kein Dienstwagen, sondern der einbaufertige, drehmomentgeregelte Roboterantrieb namens „Senso-Joint“. Ein feinfühliges, silbernes Roboter-Gelenk, das etwa Operationen erleichtern soll.

Bei der Produktpräsentation steht Sensodrives Geschäftsführer Norbert Sporer in der klassenzimmergroßen Halle mit einem metallisch glänzenden Zylinder in der Hand vor seinem Publikum. Der Senso-Joint ist eine Art Alleskönner-Gelenk - und er ist der Stolz des Unternehmens. Gekommen sind unter anderem Vertreter der Industrie- und Handelskammer, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), aus dem heraus das Unternehmen einst gegründet wurde, und potenzielle Investoren. Im Hintergrund prangt das große Zertifikat des TÜV Südwestdeutschland.

Sporer und sein Team strahlen – es ist ein großer Tag für das Unternehmen, das einst als Start-up mit einem Mitarbeiter im Keller begann und nun das gesamte Gebäude mit rund 50 Mitarbeitern füllt. Sensodrive ist mittlerweile Marktführer bei Drehmomentsensoren und drehmomentgeregelten Antrieben. Die Gelenke aus Weßling sind unter anderem in Medizinrobotern verbaut, auf dass nichts rüttelt, wenn ein Arzt mit einem  Operationsmikroskop hantiert, und in sensitiven Industrierobotern. Aber auch in kollaborativen Robotern: In fast allen „Cobots“ weltweit steckt mittlerweile das Know-how aus Weßling. Bis nach Nordamerika und Japan verkauft Sensodrive seine Entwicklungen.

Zurück in die Firma, der neueste Meilenstein will gefeiert werden. Unter Beifall hebt der rote Roboterarm, dessen Gelenke sechs Senso-Joints in unterschiedlichen Größen bilden, neben Sporer ein Tuch an und enthüllt drei weitere Senso-Joints, die je etwa die Größe eines Joghurt-Bechers haben. Das Besondere an ihnen ist der Drehmomentsensor, der Schwingungen dämpft, Systemfehler oder Kollisionen erkennt und das Gewicht kompensiert, das bei einem kurzen Arm sogar bis zu 80 Kilogramm schwer sein kann. Um die Sicherheitszertifizierung zu erhalten, hat das Team über 260 Testfälle durchlaufen, darunter Temperatur-, Feuchte- und Rütteltests. „Mit der Dokumentation der Tests könnten wir zehn Ordner füllen - wenn wir doppelseitig drucken“, blickt Sporer zurück.

Sensodrive-Mitarbeiter Simon Rauch erläutert den Besuchern die Details.
Sensodrive-Mitarbeiter Simon Rauch erläutert den Besuchern die Details. (Foto: Nila Thiel)
Das neu entwickelte Gelenk des Weßlinger Unternehmens kann auch ein Tischtuch hochheben. Hier bei der Produktpräsentation vor Ort.
Das neu entwickelte Gelenk des Weßlinger Unternehmens kann auch ein Tischtuch hochheben. Hier bei der Produktpräsentation vor Ort. (Foto: J.SP./Sensodrive)

Die Tests hat das Team erst Ende vergangenen Jahres abgeschlossen, die TÜV-Zertifizierung gab es drei Monate später. Seitdem darf der Senso-Joint in nahezu jeden Roboter eingesetzt werden. Das könnte beispielsweise in der Medizinrobotik der Fall sein oder eben auch bei Cobots. Bisher mussten die Hersteller ihre Antriebe selbst entwickeln und zertifizieren - ein langwieriger Prozess, der umfassende Expertise erfordert. Laut Sporer kann die Entwicklungsdauer einer solchen Maschine mit dem Senso-Joint auf weniger als fünf Monate reduziert werden. Das soll bei seinen Kunden Kosten im siebenstelligen Bereich einsparen können.

Bestellen Kunden eine größere Stückzahl an Senso-Joints, liegt der Preis bei ungefähr 3000 Euro pro Exemplar. Wer nur ein Einzelstück als Dekoration fürs Wohnzimmer erstehen möchte, würde allerdings deutlich mehr zahlen. Hier im Showroom des Unternehmens passen die Antriebe aber ohnehin viel besser als in die heimischen vier Wände. Integriert in die Gelenke eines Roboter-Arms, einen realitätsgetreuen Fahrsimulator und ein Exo-Skelett, eine Art Anzug, der den Menschen beim Lastenheben unterstützt, reihen sich die Roboterantriebe in allen Größen aneinander.

Das Unternehmen stellt auch fernsteuerbare Kapseln für medizinische Spiegelungen her.
Das Unternehmen stellt auch fernsteuerbare Kapseln für medizinische Spiegelungen her. (Foto: Arlet Ulfers)

An diesem Nachmittag ist der Raum gefüllt mit allerlei Prototypen, das Team hat einen langen Entwicklungsweg hinter sich. 2003 rief Norbert Sporer das Start-up gemeinsam mit dem Forscher Matthias Hähnle als Ausgründung aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ins Leben. Um das Wachstum des Start-ups finanzieren zu können, investierte das Unternehmen den Gewinn bis 2020 in seine Weiterentwicklung, sogenanntes „Bootstrapping“. Mit Erfolg: Sensodrive gewann 2024 beim Innovationspreis Bayern einen Hauptpreis. Die Senso-Joints wurden bei einer Leserwahl der Fachzeitschrift Elektronik als „Produkt des Jahres 2025“ ausgezeichnet.

„Wo geht die Reise jetzt hin?“, fragt Sporer in die Runde und antwortet auch gleich selbst: „Wie es so schön heißt: Scale-up!“ Das Marktvolumen, dass sich der Firma mit dem ersten drehmomentgeregelten Roboterantrieb mit Sicherheitszertifizierung öffnet, läge im zweistelligen Milliardenbereich. „Für uns ist der Markt gerade unendlich.“ Jetzt bleibt abzuwarten, wie groß die Wellen sein werden, die der kleine Sensor in der Robotik-Branche schlägt.

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