Öffentlicher NahverkehrSchöner Schotter, schöne Schienen

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Wo zwischen Weßling und Steinebach sonst rote S-Bahnen verkehren, sind derzeit gelbe Baustellenfahrzeuge unterwegs.
Wo zwischen Weßling und Steinebach sonst rote S-Bahnen verkehren, sind derzeit gelbe Baustellenfahrzeuge unterwegs. (Foto: Georgine Treybal)

Die S-Bahn-Linien nach Herrsching und Tutzing sind noch bis zum Wochenende wegen Bauarbeiten auf bestimmten Streckenabschnitten gesperrt. Was genau passiert dort? Eindrücke von der Baustelle.

Von Linus Freymark, Weßling

Wie viel Begeisterung ein paar Schienen auslösen können! Vor ihm liegt ein bisschen Stahl, dazu ein paar Steine, aber die Freude steht Mohamad Othman ins Gesicht geschrieben. „Das ist alles neu“, sagt er und zeigt mit der Hand über das Gleisbett. Schöner Schotter, schöne Schienen sind das für ihn. Aber klar: Wenn alle von einem erwarten, dass man das in zwei Wochen hinkriegt und man wenige Tage vor dem Termin der Fertigstellung verkünden kann, dass man voll im Zeitplan liegt, überrascht die Begeisterung nicht mehr. Othman ist als Projektleiter schließlich dafür verantwortlich, dass alles so läuft, wie man sich das bei der DB Netz AG ausgemalt haben. Bei der Bahn wissen sie ja nur zu gut, was bei Verzögerungen passiert: wütende Fahrgäste, schlechte Presse und noch dazu höhere Kosten.

Aber im Abschnitt zwischen Steinebach und Weßling schreiten die Arbeiten wie geplant voran. Zwei Wochen musste die Strecke der S8 deshalb ab Pasing gesperrt werden, genau wie die Route der S6, auf der zwischen Pasing und Gauting gerade gar nichts geht. Und weil es mit den Ersatzbussen Ärger gab und zwei gesperrte Linien gleichzeitig natürlich für große Unannehmlichkeiten bei den Fahrgästen sorgen, ist die Bahn umso froher, dass sie verkünden kann: Von Montag an werden die Züge wieder wie gewohnt rollen. „Zeitlich haben wir alles geschafft“, erklärt Othman.

Damit diese frohe Botschaft auch ihre Adressaten findet, hat die Bahn am Mittwoch auf die Baustelle geladen. Neue Gleise und Schwellen sowie eine frische Weiche am Westkreuz – all das war über die Jahre auf der S8 notwendig geworden. Um das zu illustrieren, weist Othman nicht nur auf die schönen neuen Schienen, sondern auch auf den Haufen neben dem Gleisbett: Dort liegen die Vorgängermodelle von 1982. Eigentlich sollten die schon längst ausgetauscht worden sein. „In den letzten Jahren ist viel gespart worden“, erklärt Othman.

Es war also höchste Eisenbahn, dass er und seine Leute endlich ran konnten. 4000 Tonnen Schotter, etwa 7000 Schwellen und knapp vier Kilometer Schiene haben sie in den fast zwei zurückliegenden Wochen installiert. Und nicht zu vergessen: die Weiche am Westkreuz, jener Station, an der sich S6 und S8 auf ihrem Weg stadtauswärts nach Tutzing und Herrsching trennen.

Torsten Karyszkowski von der Firma Swietelsky, Bauaufsicht Gino Busch und DB-Projektleiter Mohamad Othman freuen sich darüber, dass die Arbeiten im Zeitplan liegen.
Torsten Karyszkowski von der Firma Swietelsky, Bauaufsicht Gino Busch und DB-Projektleiter Mohamad Othman freuen sich darüber, dass die Arbeiten im Zeitplan liegen. (Foto: Georgine Treybal)
Mit seinen Bohrern hackt sich der gelbe Koloss in den Schotter.
Mit seinen Bohrern hackt sich der gelbe Koloss in den Schotter. (Foto: Georgine Treybal)

Die neuen Gleise sind bereits verlegt. Bevor sie verschweißt werden können, muss der Schotter noch gestopft werden, damit die Schienen in der richtigen Position liegen und nicht absacken, wenn ein Zug drüber rasselt. Dafür sind an diesem Vormittag mehrere Maschinen zwischen Steinebach und Weßling unterwegs, die genau das erledigen: Mit drei Kilometern pro Stunde bewegt sich der erste gelbe Koloss über die Schienen und hebt sie ein paar Zentimeter an. Dann graben sich die Zacken an der Seite in den Schotter und bohren ihn auf. Erst lockern, dann stopfen, so läuft das hier. Kurz darauf kommt die nächste Maschine, die den Schotter gleichmäßig verteilt. „Wo zu viel liegt, bunkert er, wo zu wenig ist, füllt er nach“, erklärt Torsten Karyszkowski, Projektleiter der für diese Vorgänge zuständigen Firma Swietelsky.

So sieht es im Führerhaus des Stopfexpresses aus, in dem Josef Fussi seiner Maschine Befehle gibt
So sieht es im Führerhaus des Stopfexpresses aus, in dem Josef Fussi seiner Maschine Befehle gibt (Foto: Georgine Treybal)

Das Ganze verursacht eine Geräuschkulisse, bei der sich nicht nur Liebhaber klassischer Musik die Ohren zuhalten würden: Die Motoren der Maschinen röhren vor sich hin, und als der Schotter zusammengepresst wird und die Steine teilweise an den Stahlschienen reiben, ist das schlimmer, als wenn jemand mit dem Messer am Essen abrutscht und über den Teller schabt. Für Othman, Karyszkowski und die anderen Arbeiter ist das nichts Neues: Sie sind zum Teil deutschlandweit im Einsatz, wenn es darum geht, irgendwo in der Republik die marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Für die Verantwortlichen bedeutet das jedes Mal Dauerstress für die Dauer der Arbeiten; der Druck ist groß.

Eine große Rolle bei der Planung spielt dabei die Logistik. „Das ist bei so was immer eine Riesenherausforderung“, erklärt Karyszkowski. Genau deshalb war es notwendig, S8 und S6 gleichzeitig zu sperren, auch wenn dadurch der gesamte Südwesten Münchens vom S-Bahn-Netz abgeschnitten war. Aber die Maschinen müssen zum einen verfügbar sein und zum anderen erstmal an ihren Einsatzort gelangen. „Das war eigentlich die einzige Möglichkeit“, sagt Othman über die doppelte Sperrung.

Nun laufen die letzten Arbeiten. Am Montagmorgen um kurz nach 3 Uhr soll die Strecke wieder freigegeben werden. Und wenn dann die ersten Züge gen München rollen, werden sie das nicht mehr auf maroden Schienen und vergilbtem Schotter tun. Die Fahrgäste werden davon wenig merken. Aber klar ist: Schienen, Schwellen, Schotter – alles ist dann neu.

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