Ausgezeichnet:Erich Rüba erforscht die Geschichte Weßlings

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Der 65-Jährige kennt sich wie kein Zweiter aus mit der Ortsgeschichte. Für sein außergewöhnliches Engagement als Sammler und Archivar wird er mit der Bezirksmedaille des Bezirks Oberbayern geehrt.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Gerade ist er vom Friedhof gekommen: Für seine Recherche über Weßling im Zweiten Weltkrieg hat er den Vornamen eines Gendarmen gesucht, auf dem Grabstein ist er fündig geworden. Erich Rüba kennt sich in seinem Heimatort aus wie kaum ein zweiter. Sein Wissen hat der Rentner sich in vielen Jahrzehnten als Sammler, Heimatforscher, Autor von Publikationen zur Ortsgeschichte und Leiter der Gemeindegalerie angeeignet. Jetzt erhielt er für sein Engagement die Bezirksmedaille des Bezirks Oberbayern.

"Bei meinem Sammeln ging es mir immer um das Bewahren und Erhalten von ortsgeschichtlichen Objekten und nie um das bloße Besitzen", erklärt Rüba. Seine Funde wandern häufig ins Weßlinger Gemeindearchiv, er leitet Passendes wie historische Postkarten oder Gemälde auch an andere Archive weiter. Die Liebe zur Heimat hat viel mit der Biografie der Mutter zu tun, vermutet Rüba. Sie hatte das Sudetenland verlassen müssen, zeitlebens litt sie unter Heimweh. "Vielleicht hat das bei mir die Erkenntnis, dass Heimat nichts Selbstverständliches ist, bewirkt". Der Sohn hat immer in der Gemeinde gewohnt, ist dort ein paar Mal umgezogen: "Ich habe in allen drei Ortsteilen gewohnt." Als leidenschaftlicher Sammler lag es nahe das Sammeln mit dem Interesse an Geschichte zu verbinden. Dabei liegen Rüba die heimischen Künstler besonders am Herzen.

Sein erstes Gemälde hat Rüba, der eine technische Ausbildung absolviert hat, mit 18 Jahren gekauft. 80 Mark hat das Stillleben mit den drei Früchten gekostet. Er hat es in drei Raten abbezahlt. Daheim habe er nichts von seinem Kauf erzählt. "Bua, jetzt spinnst komplett", hätte seine Mutter sicherlich geschimpft. Die Sammelleidenschaft hatte den jungen Mann (Jahrgang 1953) jedoch gepackt. "Wer nicht sammelt, geht am Leben vorbei", ist sein Leitsatz. Seine Funde entdeckt er auf Flohmärkten, in Archiven und Bibliotheken. "Ich bin immer wieder erstaunt, welche zeitgeschichtlichen Dokumente und Hinweise sich in den unterschiedlichsten Archiven finden lassen". Oft werden ihm Raritäten von Weßlinger Familien gebracht. "Die interessantesten Fotos findet man aber bei den Leuten, die weggezogen sind", weiß er. Eine Tochter, die "rausgeheiratet" habe, hätte sich eben die schönsten Souvenirs aus ihrem Elternhaus mitgenommen.

Einen angestellten Ortsarchivar hat Weßling nicht. Das ist nicht nötig, die " Anfragen kommen zu mir", sagt Rüba, der diese Aufgabe ehrenamtlich ausübt. Er sitzt nicht nur in Archiven, Bibliotheken und vor dem Computer, sondern packt auch mit an. Das alte Leichenhaus hat er außen geweißelt. Er engagiert sich um die Renovierung der Außenanlagen der Grünsinker Kirche, über deren Votivtafeln er ein Buch geschrieben hat, und ist mit Ratschlägen dabei, wenn die Gemeinde ihren Seenrundgang unternimmt. Vor drei Jahren hat er die Gemeindegalerie in der Hauptstraße 57 aufgebaut und mit 210 Kunstwerken aus seinem Privatbesitz ausgestattet.

Jeden Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr öffnet er den Besuchern die Türen des historischen Gebäudes, das nicht nur Schulhaus, Gendarmerie-Station und Rathaus war, sondern in dem der französische Impressionist Pierre-Auguste Renoir bei seinem vierwöchigen Aufenthalt in Weßling seine Dienstwohnung hatte.

Die Ausstellungen werden gerne besucht. Oft entwickeln sich Gespräche unter den Besuchern, wenn sie auf einem alten Foto einen Verwandten entdecken oder eigene Erinnerungen an ehemalige Gebäude und Personen haben. Das freut Rüba, der mit den Ausstellungen, die nahe an der Lebenswelt der Menschen sind, Interesse für die Geschichte und die Kunst der Heimat wecken möchte.

Viele Menschen hätten geradezu "Angst vor den großen Gemäldegalerien, bei denen man schon nach dem dritten Saal nichts mehr aufnehmen kann", weiß Rüba. "In der Gemeindegalerie nimmt man etwas von der Ortsgeschichte mit." Und natürlich ist es auch der grandiose Blick über den Weßlinger See aus dem Fenster oder aus dem kleinen Garten der Gemeindegalerie, der Kurator und Besucher gleichermaßen begeistert.

Das steigende Interesse an Ortsgeschichte führt Rüba auf die schnelllebige Zeit zurück. "Früher gab es auf einen Brief eine Antwort in zwei Wochen. Heute wird man schon unruhig, wenn es auf eine E-Mail nach einer Stunde noch keine Antwort gibt". Die Kunst bietet dagegen Ruhe und Entspannung. Rüba setzt sich häufig in einem Museum vor ein Bild und schaut es lange Zeit einfach nur an.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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