Agenturen achten strikt darauf, ihre Musiker möglichst nur bei renommierten Großveranstaltern bedeutender Konzertreihen und Festivals auftreten zu lassen. Kleinveranstalter gemischter Programme wie der Verein „Unser Dorf“ in Weßling haben daher oft Mühe, ein anspruchsvolles Niveau zu halten. Da müssen notfalls private Kontakte her, um ein Spitzentrio in den Pfarrstadl zu locken: Die drei international renommierten Oboisten – mit 76 Jahren Grandseigneur Hansjörg Schellenberger, die Israelin Tamar Inbar und der Spanier Ramón Ortega Quero – garantierten am Samstag dann auch volle Auslastung im Publikum und beste Konzertatmosphäre.
Schellenberger geht nach einer erfüllten Karriere als Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker und geschätzter Pädagoge seit 2001 neue Wege als Orchesterdirigent, seit 2021 auch am Pult der Berliner Symphoniker. Wie Schellenberger auch hat Ortega Quero schon den ARD-Musikwettbewerb gewonnen, blieb dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München als Solo-Oboist aber erhalten. Inbar indes sammelte als Gast-Solistin Erfahrungen in unzähligen Orchestern. Mit renommierten Kammermusikpartnern ist sie weltweit unterwegs – auch im Fach der Barockmusik, nicht selten an der Blockflöte, ihrem ursprünglich erlernten Instrument.
Dass drei so großartige Musiker desselben Fachs zusammenfinden, ist bei Bläsern eher selten: Originalliteratur für diese Besetzung ist nur spärlich vorhanden. Dennoch war hier ein überaus reizvolles, vor allem rares Programm möglich – nicht zuletzt deshalb, weil Inbar auch zur Blockflöte griff und Schellenberger zum Englischhorn.
Die Entwicklung von Doppelrohrblatt-Instrumenten reicht bis weit in die Antike zurück, wenn auch bautechnisch bedingt lange nicht mit dem feinen, lieblichen Klang moderner Oboen und Englischhörner. Aus der Renaissance sind mit Schalmeien, Pommern, Krummhörnern und Rauschpfeifen noch recht schrill klingende Instrumente bekannt. Gepflegte Kammermusik aber wurde erst mit den Oboen des französischen Barocks im 17. Jahrhundert möglich.

Hier setzte auch das Trio in Weßling an – allerdings nicht mit französischen Komponisten, sondern mit Georg Philipp Telemann, Wilhelm Friedemann Bach, Anton Wranitzky und Ludwig van Beethoven. Die Fantasien Telemanns erwiesen sich als überaus virtuos, dabei die für Gambe solo auf die Oboe übertragen fast schon zu kapriziös. Dennoch gut spielbar, zumal eine außergewöhnlich atemsparende Blastechnik es Schellenberger wie Quero ermöglichte, weite Spannungsbögen und nicht enden wollende Phrasen am Stück durchzuspielen.
Die Flötenfantasien – an Originalinstrumenten (Alt und Sopran) interpretiert – waren daher von kleinteiliger Rhetorik. Virtuosität verlangten aber auch die kontrapunktischen Duettos von Wilhelm Friedemann Bach, dem ältesten Sohn von Johann Sebastian: Inbar und Quero in Nr. 1 (e-Moll) ebenso wie auch Schellenberger und Quero in Nr. 4 (F-Dur) wirkten der häufigen Dissonanzbildung und ihrer Auflösung in den eng beieinander geführten Stimmen mit weiten Spannungsbögen entgegen. Der Wechsel zwischen Verselbstständigung der Stimmen mit bravourösen Eskapaden und deren Zusammenführung zu zweistimmigen Gesängen machten letztlich den Reiz der Werke aus.

Kompakter Ensemblegeist triumphierte schließlich in den beiden viersätzigen C-Dur-Trios für zwei Oboen und Englischhorn. Auch wenn Wranitzky heute nicht gerade populär ist, ging es hier keinesfalls um eine Randerscheinung. Als Schüler Mozarts, Haydns und Albrechtsbergers zählte der mährisch-österreichische Komponist zu den führenden Meistern der Wiener Klassik der Beethoven-Generation. Wranitzkys Erfindungsreichtum steht dem seines jüngeren Kollegen in nichts nach. Genauso in der formellen Ausgestaltung, die den drei Virtuosen reichlich Gelegenheit für Spielwitz und spieltechnische Finessen gaben.
Und dennoch: Beethovens Terzetto op. 87, wenn von ihm auch nur als Gelegenheitsmusik betrachtet, vermochte sich deutlich davon abzusetzen. Einst in der Wiener Kammermusik populär, griff Beethoven 1795 nach langer Zeit wieder die Gattung des Bläsertrios auf. Typisch für sein Frühwerk: Der systematisch durchdachte Umgang mit der thematischen Struktur, die das ganze Werk zu einer Einheit verbindet. Die fülligere Substanz des Englischhorns von Schellenberger bot eine solide Basis, um in wechselnden Konstellationen darüber in stimmiger Choreografie schöne Klangbilder zu erzeugen: Es kam geradezu zu einem Feuerwerk spieltechnischer Varianten zwischen opernhaften Gesangsterzetten, lyrischen Weisen, spritzigen Tänzen, wagemutigen Kapriolen, spritziger Heiterkeit hin zum theatralisch inszenierten Finale. Die Spielfreude der drei Musiker setzte dem außergewöhnlichen Kammermusikabend mit diesem Werk einen glanzvollen Schlusspunkt.