Ein letztes Mal öffneten die alten Grundschulen in Weßling und Oberpfaffenhofen ihre Türen, bevor das Kapitel „Schule“ in den beiden Gebäuden endgültig endet. Tische, Stühle, Tafeln, Landkarten – alles konnte gegen eine Spende mitgenommen werden. Viele nutzten die Gelegenheit, ein Stück Schulgeschichte nach Hause zu tragen. Für manche war es eine Reise in die eigene Kindheit, ein Moment, um Abschied zu nehmen. Alteingesessene kamen mit ihren Kindern und Großeltern, denn seit 1911 hatten viele Generationen am Standort Weßling die Schulbank gedrückt.
„Meine Oma, meine Mutter, mein Sohn und ich - wir alle gingen in diese Schule“, erzählte eine Weßlingerin. Als Erinnerung nahm sie einen alten Holzsekretär mit. „Vielleicht erkennt ihn meine Mutter wieder“, sagte sie. Der 17-jährige Jannik betrat erstmals nach Jahren seine alte Schule. „Komisch, alles wirkt viel kleiner als früher“, staunte der hochgewachsene junge Mann. An der Wand, inmitten dutzender anderer, hing tatsächlich noch sein altes Namensbild, dass er vor acht Jahren gestaltet hatte. Es soll nun einen Ehrenplatz in seinem Zimmer bekommen. Die kunstvoll verzierten Bilderquadrate sind in beiden Schulhäusern der Verkaufsschlager. Die scheidenden Viertklässler haben sie jeweils für die Erinnerungswände zum Abschied gebastelt. „Alle freuen sich total, wenn sie sehen, dass ihre alten Namen noch hängen“, erklärte Schulleiterin Maria Streifinger. Sie selbst suchte sich als Erinnerungsstück einen kleinen Holzstuhl für ihr Büro aus.
Vor dem Haus schob eine Familie bunte Sitzelemente in den Kofferraum, andere schleppten Schreibtische und Bänke aus dem Haus. Ein Mann fand einen Filmprojektor aus den 60er-Jahren. 70 Euro zahlte er an die Schulleiterin, die den Verkauf leitete. Der Flohmarktschatz lagerte jahrelang im Schularchiv, das Erich Rüba nun ebenfalls ausmistet. „Wir bewahren nur noch Akten auf, keine Gegenstände“, erklärte der Betreuer des Archivs. Zusammengerollte Landkarten, ein Abakus, Setzkästen, eine Mineraliensammlung, übergroße Zirkel und Geodreiecke – alles stand zum Verkauf.
Die Relikte aus vergangenen Schultagen fanden schnell Abnehmer. An die Zeit, als Mädchen noch Handarbeitsunterricht hatten, erinnerte eine Karte illustriert mit Stickstichen. Ein Vater nahm die Tafel mit der Schreibschrift der 70er-Jahre mit. Zwei Mädchen erwarben ein Spiel und einen Notenständer. Auch den Wunsch nach der Fibel aus den 70er-Jahren „Uli der Fehlerteufel“ konnte Rüba erfüllen. Im Archiv stapeln sich schließlich die alten Schulbücher.


Viele Besucher gingen in Weßling ein letztes Mal ehrfurchtsvoll durch die Räume und machten Erinnerungsfotos. Leergeräumt strahlten die Klassenzimmer mit ihren hohen Decken, Sprossenfenstern und dem Fischgrätenparkett einen besonderen Charme aus.
„Die höhenverstellbaren Schreibtische und Stühle gehen am besten weg“, berichtete Konrektorin Cora Haubner ein paar Kilometer weiter im alten Schulhaus in Oberpfaffenhofen. Sie selbst hatte schon sechs niedrige Regale für das neue Lernhaus mitgenommen und gelb angestrichen. Die robusten Holzmöbel dienen ihrer Klasse nun als Sitzbänke. Ein wenig Nostalgie schwang mit, wenn Lehrerin Lena Hackenberg ihre alte Wirkungsstätte betrachtete, auch wenn das Gebäude aus den 60er-Jahren seine besten Tage längst hinter sich hat. Der Umzug in den Neubau am Meilinger Weg bietet viel mehr Möglichkeiten, gibt Hackenberg zu. Die Grundschule hat sogar den „Schulbau-Award 2024“ für ihre zukunftsweisende Architektur, die ein modernes Lernen ermöglicht, gewonnen. „Dem zeitraubendem Pendeln zwischen den Schulgebäuden in Weßling und Oberpfaffenhofen trauert niemand nach“, sagte Hackenberg.
Der Flohmarkt setzte einen endgültigen Schlusspunkt unter das Kapitel „eine zentrale Schule für alle“. Erste Ideen, die Dorfschulen an einem Standort zu vereinen, tauchten 1940 auf, wurden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen – allerdings ohne Ergebnis. Kein Ortsteil wollte seinen Standort aufgeben. 1998 scheiterte ein erneuter Anlauf sogar per Bürgerbegehren. Erst 2006 einigte sich der Gemeinderat auf den Standort neben dem Sportplatz in Weßling. Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit lernen seit 2023 rund 250 Kinder im Neubau mit seinen modernen Lernhäusern und der Mensa.

Auch Bürgermeister Michael Sturm war unter den Flohmarktbesuchern. „Ich hatte Unterricht in beiden Schulhäusern“, erzählte er. In Weßling besuchte er die ersten vier Klassen, in Oberpfaffenhofen die fünfte und sechste Jahrgangsstufe. Besonders die Werkräume seien ihm gut in Erinnerung geblieben. Die Werkbänke stehen nun in der neuen Schule, die hohen Stühle mit den Eisenfüßen wurden verkauft. Einzig die Overheadprojektoren blieben unbeachtet. Einst teuer, sind sie heute nur mehr Elektroschrott, bedauerte Sturm.
Was mit dem Gebäude aus den 60er-Jahren geschieht, steht noch nicht fest. Der Gemeinderat prüft vor einer endgültigen Entscheidung Zwischennutzungen. Das 115 Jahre alte Schulhaus in Weßling mietet die Lebenshilfe. Sie richtet dort eine Heilpädagogische Tagesstätte mit drei Gruppen ein.
Übrig gebliebene Schulmöbel sollen einer Schule im Ausland gespendet werden. Der Erlös des Flohmarkts fließt in die Schulbücherei. „Kuscheliger soll sie werden und zum Lesen einladen“, kündigte Schulleiterin Maria Streifinger an.