Wir befinden uns in den Achtzigerjahren, die ersten Computer erblicken gerade das Licht der Welt. 1981 kommt der erste Personalcomputer der Firma IBM auf den Markt, nur drei Jahre später folgt der erste Apple-Rechner. Die IT-Branche beginnt zu boomen. Und immer mehr Menschen sind fasziniert von Daten, Schaltkreisen und all den neuen Möglichkeiten, die mit ihnen einhergehen.
So auch Adi Drotleff. Anfang der Siebziger ist er einer der ersten Studenten in Deutschland, die sich für ein Informatik-Studium entscheiden. Gut zehn Jahre später gründet er sein Unternehmen "Mensch und Maschine". Nun, im Jahr 2023, kann er auf eine fast 40-jährige Firmengeschichte zurückblicken.
Inzwischen ist das Unternehmen weltweit aktiv und hat gut 1000 Mitarbeiter. Der inzwischen 69-jährige Drotleff hat sich schon vor einigen Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Das neue Jahr hat sein Unternehmen mit einem Generationenwechsel begonnen. Die Geschäftsführung hat Drotleff abgegeben. Er zieht sich in den Aufsichtsrat zurück und überlässt den jüngeren Nachfolgern das Feld.
Die Staffelstabübergabe geschieht in einer Zeit, in der das Unternehmen mit Rekordzahlen glänzt. So lag der Umsatz im Jahr 2022 bei 320 Millionen Euro - ein Plus von 20 Prozent. Das Weßlinger Unternehmen wächst seit Jahren. Das kommt nicht von ungefähr: Die Produkte sind maßgeschneidert und werden für die Kunden immer unentbehrlicher.
Das Unternehmen hat sich auf Software spezialisiert. Dabei geht es jedoch keineswegs um Programme, die im alltäglichen Leben benutzt werden, sondern um ganze Systeme, die es Unternehmen ermöglichen sollen, Produktionsprozesse zu vereinfachen und realistische Modelle am Computer anzufertigen, ehe Bauwerke in die Landschaft gesetzt werden. Das Unternehmen hat mehr als 30 000 Kunden, darunter große Industrie- und Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn, aber auch Ein-Mann Betriebe.
So vielfältig die Kundschaft, so divers ist auch die Produktpalette. Der absatzstärkste Zweig des Unternehmens sind Programme, die es Präzisions-Werkzeugmaschinen ermöglichen, Prozesse, die früher mal gut zehn Stunden dauerten, auf zwei Stunden zu reduzieren. Ein weiteres Beispiel sind Systeme, die spezialisierte Unternehmen beim Brückenbau unterstützen. Die Kunden können hier Brücken im Vorfeld genau modellieren und statische Berechnungen vornehmen, um herauszufinden, welches Gewicht die Brücke in Zukunft aushalten kann und welche Bauteile dafür notwendig sind. So ist beispielsweise der Arnulfsteg über die Bahngleise, die zum Münchner Hauptbahnhof führen, mit Unterstützung der Systeme von "Mensch und Maschine" entstanden.
Starnbergs zukünftige Nachhaltigkeit hängt auch von "Mensch und Maschine" ab.
Einer der neueren Kunden ist die Stadt Starnberg: Für die Rathausverwaltung wolle man Software bereitstellen, sagt Drotleff, mit denen Bürgerinformations-Services erstellt werden können. "Wenn in Zukunft jemand Solaranlagen auf sein Dach bauen will, kann er damit nachschauen, ob sich das lohnt." Solche Programme werden immer häufiger benötigt - und sie können immer mehr. So sind sie bereits in der Lage, ganze Städte und ihren Untergrund zu modellieren. "Wer heute ein Bauvorhaben startet, kann mit unseren Programmen genau erkennen, welche Leitungen wo im Boden verlaufen", erklärt Drotleff, "damit der Planer die Stromleitung findet und nicht der Bagger".
Es sind Produkte, die aufwändige Prozesse deutlich vereinfachen und zugleich die Digitalisierung weiter vorantreiben. Dieser Verantwortung sei man sich bewusst, sagt Drotleff. Für ihn sei es deshalb wichtig, den Wandel behutsam an die Menschen zu bringen. "Wir wollen die Menschen nicht zwanghaft umerziehen. Vielmehr ist es uns wichtig, dass wir ganz unten anfangen und in Unternehmen zuerst die einfachen Prozesse digitalisieren." So sei jeder der beteiligten Akteure von Beginn an am Wandel beteiligt und könne sich auf das Kommende vorbereiten. Gleichzeitig müsse jegliche Veränderung vorher genau durchdacht werden. Drotleff: "Ich kenne genug Beispiele, bei denen Digitalisierung gegen die Wand fährt."
Frauenmangel in der IT-Branche - vor allem ein typisch deutsches Problem.
Auch wenn die Geschäfte aktuell gut laufen, hat das Unternehmen mit einzelnen Baustellen zu kämpfen. Typisch für die IT-Branche: Dem Betrieb mangelt es an Mitarbeiterinnen. Nur knapp jeder vierte Mitarbeiter bei "Mensch und Maschine" ist eine Frau. "Es gibt einfach nach wie vor zu wenige Frauen, die sich für technische Berufe entscheiden", beklagt Drotleff, und sieht darin vor allem ein deutsches Problem. Die insgesamt 75 Firmensitze im europäischen wie außereuropäischen Ausland hätten weniger mit diesem Problem zu kämpfen. Gleichwohl blickt das Unternehmen in eine rosige Zukunft. Die Digitalisierung wird weitergehen, und es werden weiterhin kluge Köpfe gebraucht, die sie gestalten: "In der Technik hat die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten einiges erfunden", sagt Drotleff. "Wir können getrost davon ausgehen, dass in der Zukunft genauso viel erfunden wird. Man weiß nur vorher nicht, was."