Auch wenn Uta Sasgen schon eine Weile in Meiling wohnt, bleibt ihr das Publikum in Weßling gewogen und ihre Auftritte dort fühlen sich weiterhin wie Heimspiele an. Ihre naturalistischen Landschaftspastelle in meist melancholisch-poetischen Stimmungen, die sie immer wieder auf Einladung des örtlichen Vereins „Unser Dorf“ im Pfarrstadel zeigt, erfreuen sich sichtlich großer Beliebtheit.
Noch gefragter sind ihre Konzerte, mit denen sie während der Ausstellungen auf ihre Doppelbegabung wie auf ihre eigentliche Profession verweist. Als Flötistin im Staatsorchester des Münchner Gärtnerplatztheaters vermag sie zudem einige Musikerkolleginnen und -kollegen um sich zu scharen, um sich bei ihrem Publikum mit einem Highlight im Konzertprogramm des Veranstalters dafür zu bedanken. Aus „ihrem“ Orchester folgten ihr diesmal an der Violine die 1. Konzertmeisterin Katja Lämmermann, 1. Solocellist Giorgi Kharadze, Solokontrabassist Anton Kammermeier, Solofagottist Cornelius Rinderle sowie der Klarinettist Michael Meinel. Von der Staatsoper stießen Hornist Franz Draxinger und Bratschistin Christine Leipold dazu. Irene Draxinger ist Gastoboistin im Münchener Kammerorchester, übrigens wo auch Sasgen, Franz Draxinger und Rinderle gastieren. Eine Truppe also, die umtriebig ist und nicht zum ersten Mal zum Kammermusizieren zusammenfand. Nun am Sonntagvormittag zur Matinee unter dem Titel „Hoch auf’m Berg, tief im Tal …“ im ausverkauften Weßlinger Pfarrstadel.
Ein Nonett erlebt man in Kammermusikkonzertreihen nur selten, zumal auch das Repertoire nicht gar so üppig zur Verfügung steht. Hier behalfen sich die Musiker mit einer Bearbeitung und einem Stück für ein kleines Orchester, dem das Nonett in Einzelbesetzung entspricht. Bearbeiter Wolfgang Renz, der einst Oboist bei den Augsburger Philharmonikern war, genießt in diesem Fach einen exzellenten Ruf. Allerdings ist die Bearbeitung eines Stückes für Klavier nicht nur eine enorme Herausforderung, sondern auch ein Dilemma: Es verfügt nicht über neu selbständige Stimmverläufe.

Die Wanderer-Fantasie op. 15 von Franz Schubert bietet aber eine reiche Fülle an Farben und Stimmungen, auf die sich Renz mit verschiedenen instrumentalen Kombinationen einlassen konnte. Bei der Warmtonigkeit der vertretenen Bläser bewegte er sich auf sicherem Terrain, was den romantischen Grundtenor betrifft. Etwas mehr Zurückhaltung in den Mixturen hätte dem Werk indes besser getan, denn Schuberts Wanderer ist kein fröhlicher Wandergesell’, sondern ein umhergetriebener Außenseiter, dessen Seele betrübt und voller unerfüllter Sehnsüchte ist. „Da, wo du nicht bist, ist das Glück!“, heißt denn auch die letzte Zeile im Gedicht von Georg Philipp Schmidt von Lübeck, das der Fantasie zugrunde liegt.
Am besten gelang die von Schubert geschickt kaschierte Beklemmung in den Zurücknahmen von fulminantem Reichtum in innige Gesänge mit schlichter Begleitung. Eine geradezu schmissige Heiterkeit im Presto täuschte Fröhlichkeit vor, die sich aber auch schnell von abgründigen Passagen in den tiefsten Registern ins Gegenteil verkehrte. Wienerische Melodik steht nicht nur in diesem Werk symbolisch für die Sehnsucht nach einer inneren Heimat. Dass Schubert der Wanderer-Fantasie ein fulminantes Finale schenkte, dass im Nonett der Matinee eine symphonische Prägung bekam, blieb auch in der Bearbeitung ein ungelöstes Rätsel.

Wie Schuberts Werk ist auch die zweite Serenade von Brahms eine Komposition eines 25-Jährigen. Aber eines, der in Clara Schumann halt gefunden hatte. Dem Umstand verdankt das Stück für ein kleines Orchester die kammermusikalische Intimität, die im Nonett auch eine vorteilhafte Besetzung fand. Die Komplexität der Stimmverflechtungen, die es den Musikern um Sasgen wohlausbalanciert zu bändigen gelang, zeugt zwar davon, wie weit Brahms noch von seiner ersten Symphonie entfernt war, doch zugleich auch, über welche kompositorische Meisterschaft und über welches Gespür für vielschichtige Wirkungen der junge Brahms bereits verfügte – wie Uta Sasgen in einem fundierten Einführungsvortrag mit Toneinlagen darlegte.
Narrative Intensität, rhythmische Finessen, seelentiefes Aufwühlen, tänzerische Leichtigkeit mit mystischen Rücknahmen oder geschmeidiges Wiegen gingen dem Ensemble mit Selbstverständlichkeit von der Hand. Genauso treffsicher wie die spritzige Leichtigkeit des Scherzos aus Mendelssohns Sommernachtstraum in der Zugabe, ein Geisterspuk, mit dem das Publikum sichtlich beglückt entlassen wurde.