Bund Naturschutz in Weßling:Im Widerstand für die Natur

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Der Weßlinger See war der Ortsgruppe im Bund Naturschutz schon von Beginn an ein Anliegen. (Foto: Nila Thiel)

Seit 40 Jahren gibt es die Weßlinger Ortsgruppe im Bund Naturschutz. Sie schützen den See, legen Streuobstwiesen an und retten den Wald: Ein Rückblick auf Menschen, die anpacken.

Von Max Fluder, Weßling

Als es gegen Ende des Abends um die großen und kleinen Erfolge geht, um die Früchte harter Arbeit, ist vom Buchenstachelbart die Rede. Vom Immenblatt. Vom Bienenragwurz. Und vom Sumpfwurz. Erfolge – das sind für den Bund Naturschutz in Weßling Pflanzen und Pilze, die für eine intakte Natur stehen, weil sie sich nur dort ansiedeln. An Hängen und in Mooren zum Beispiel. Oder auch auf Wiesen und ehemaligen Feldern, die der Verein gepachtet hat und die durch die Mitglieder gepflegt werden.

Seit 40 Jahren ist die Ortsgruppe des Bunds Naturschutz (BN) in Weßling aktiv, seit 50 Jahren gibt es die Kreisgruppe im Landkreis Starnberg. Ein Doppeljubiläum also und der Grund, weshalb die Ortsgruppe am Freitag ins „Seehäusl“, einer Art Gemeindetreff direkt am Ufer des Weßlinger Sees, geladen hat.

Es ist ein Treffen, das viel aussagt über die 6000-Einwohner-Gemeinde im Fünfseenland. Darüber, wie man für den Erhalt eines Waldes kämpft, auch vor Gericht, und welch’ eine Mammutaufgabe es ist, einen See zu pflegen. Es ist aber auch ein Treffen, anhand dessen man viel lernen kann über Aktivismus und Engagement. Und wie das, was vor wenigen Jahrzehnten nur ein paar Versprengte umtrieb, Teil eines Mainstreams wurde.

Der Einladung der Ortsgruppe in den holzverkleideten Raum in Weßling sind gut 40 Menschen gefolgt. Viele von ihnen werden an diesem Abend ausgezeichnet. Ein knappes Dutzend Mal überreicht der BN-Kreisvorsitzende Günter Schorn die silberne Nadel des Vereins samt Urkunde für langjährige Mitgliedschaften, viermal sogar die goldene. An Walter Follner, 87 Jahre alt, zum Beispiel, der nicht nur bei der Gründung der Weßlinger Ortsgruppe dabei war, sondern auch schon bei der Gründung des Kreisverbands.

Die Ortsgruppe formte sich im Widerstand gegen die Rodung eines örtlichen Waldes

Follner ist es dann auch, der einen abendfüllenden Vortrag zur Geschichte der Ortsgruppe in Weßling hält, für den er sich laut Eigenaussage schon sehr beschränkt hat, weil man „sonst morgen Früh noch hier“ säße. Viele der Anwesenden erkennen sich wieder auf den alten Bildern, die der Senior zeigt. Follner erzählt davon, wie sich die Ortsgruppe im Widerstand gegen eine Bebauung des „Stocket“, eines kleinen Waldes inmitten der Gemeinde, formte. Anrainer klagten – unterstützt vom Bund Naturschutz – und erzielten ein weitreichendes Urteil vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Dann ist da der Weßlinger See, für den sich die Ehrenamtlichen einsetzten: Sie gehen schon seit Jahren gegen die vielen Algen vor, schützten das Schilf am Ufer und ziehen Gräben. Zu Beginn der 1990er-Jahre pflanzten sie eine Streuobstwiese im Ort, die heute noch gut ankommt. Und dann ist da der Biotopschutz, das Pflegen von Landschaften, die sonst wohl nicht so schön aussähen und vor allem nicht so artenreich wären.

Ein fortdauerndes Problem wiederum ist die Rettung von Amphibien von hochfrequentierten Straßen. Beim Bund Naturschutz in Weßling ist Verena Kellner dafür zuständig. Sie bricht Follners Monolog, teilt diesen praktisch in zwei Teile, um ihr eigenes Anliegen vorzutragen, und sagt: Da müsse mehr gemacht werden. Vor allem auf der Umgehungsstraße, die nach wie vor eine „Katastrophe“ für Frösche sei. Für drei andere Orte hingegen hätten sie Lösungen oder zumindest Lösungsansätze gefunden.

Läuft man durch Weßling, begegnet man den Errungenschaften der Ehrenamtlichen

Überspitzt gesagt: Läuft man durch Weßling, kommt man nicht daran vorbei, auch eine Errungenschaft der Ehrenamtlichen zu sehen. Schon die Präsenz in der Gemeinde bedingt es, dass die Ortsgruppe mit der Politik zusammenarbeitet. Und tatsächlich: Auch die Gemeinde erhält eine goldene Anstecknadel, Weßlings Bürgermeister Michael Sturm (Freie Wähler) nimmt sie entgegen. Er lobt am Ende des Abends das Engagement des Bunds Naturschutz und die harmonische Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen. Es brauche, sagt Sturm, die Leute, die kommen und mithelfen. Nur so entstehe Veränderung. „Das ist nicht bloß beim Bund Naturschutz so, sondern bei allen Vereinen.“

Blickt man von außen auf die Ortsgruppe, könnte man meinen: Für die Naturschützer lief alles prima. 250 Mitglieder sind es derzeit, viel für eine so kleine Gemeinde. In der Region gilt Weßling seit Langem schon als Hochburg der Grünen, auf jeden Fall aber als Hochburg der Naturschützer. Trotz alledem gilt aber auch: Reibungslos war das Engagement der Naturschützer selten.

„Es hat auch böses Blut gegeben.“

Follner erzählt etwa von Drohungen und so gelagerten Briefen, die sich vor allem gegen Rudi Burger richteten, der über Jahre hinweg den Ort und die Ortsgruppe mit seinem Engagement geprägt hat. „Es hat auch böses Blut gegeben“, sagt Follner, „und natürlich viele andere Meinungen.“ Bis der Gedanke, dass Natur schützenswert sei, von vielen geteilt wurde, dauerte es. Das mussten die Ehrenamtlichen aushalten – nicht nur in Weßling, sondern überall. Follner erinnert sich: „Es war nicht ganz einfach.“

Heute ist das anders: Naturschutz ist in vielen Gemeinden inzwischen so selbstverständlich wie die Bereitstellung von Strom, Wasser und Winterdienst. Dafür gilt heutzutage umso mehr, was auch schon damals galt: Nur wer sich einsetzt, kann auch Dinge verändern. Das ist anstrengend – ebenso wie das Aufrechterhalten einer Ortsgruppe. Denn Vereinsarbeit ist nicht jedermanns Sache, viele Vereine haben ein Nachwuchsproblem. Aber diejenigen, die etwas verändern wollen, finden darin nach wie vor einen Weg, genau das zu tun.

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