Weßling:Aufbruch am Sonderflugplatz

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Christian Juckenack feiert zusammen mit Conrado Dornier und Martine Dornier-Tiefenthaler (vorne, von links) die Eröffnung. (Foto: Nila Thiel)

Auf dem Air Tech Campus in Oberpfaffenhofen wird ein neues Gebäude eingeweiht

Von Patrizia Steipe, Weßling

Check-in-Schalter, Gepäckbänder oder Wartebereiche für Fluggäste findet man keine im neuen Empfangsgebäude auf dem Air Tech Campus in Oberpfaffenhofen. "Das ist kein Terminal, sondern ein Entrée für den Sonderflughafen", erklärt Christian Juckenack, Sprecher des Campus, bei der Einweihungsfeier am Dienstag. Im Haus wird der Probebetrieb für die Fluglotsen vorbereitet. Sie sollen von hier aus in einem Kontrollraum, dem voll digitalisierten Remote-Indoor-Tower, ohne direkten Sichtkontakt in den Himmel die Flugzeuge steuern. Der alte Tower wird überflüssig. Neben einem Foyer gibt es Aufenthalts- und Besprechungsräume für die Piloten der Geschäftsflieger.

Weitere Räume im vierstöckigen Gebäude sind an andere Unternehmen vermietet. Der große Besprechungsraum im obersten Stockwerk kann angemietet werden, und von der großen Dachterrasse hat man einen Panoramablick auf den Sonderflughafen. Einer der Mieter ist der Architekt des Gebäudes, Robert Kermer. Vor zehn Jahren hatte er auf dem Werksgelände mit der Sanierung von Flugzeughangars begonnen, das repräsentative Empfangsgebäude war quasi ein Folgeauftrag.

An den Flugbewegungen wird sich durch den Neubau, aber auch durch die geplanten Erweiterungen am etwa 2,6 Millionen Quadratmeter großen Areal nichts ändern, versichert Juckenack: "Es ist keine Ausweitung des zugelassenen Flugbetriebs notwendig." Neben den Werft- und Forschungsflügen sei eine gewisse Anzahl qualifizierter Geschäftsflüge erlaubt, die werde bei Weitem nicht erreicht, und auch das genehmigte Lärmkontingent werde weit unterschritten, "sowohl für die Zahl der täglich erlaubten Flüge wie für das Jahreskontingent". Angesichts von Konflikten zwischen Flughafennutzern und Anwohnern betont Juckenack, dass es in Zukunft auf dem Flughafen und über den benachbarten Dörfern leiser werden soll. Dann seien die Fluggeräte "kaum noch zu sehen und zu hören", prophezeit Peter Adrian von der Triwo-Betreibergesellschaft. Dank moderner Technik würden die Flieger autonom und dank Elektroantriebs geräuschlos senkrecht in die Höhe starten, anstatt für die Landungen und Abflüge laut über die Ortschaften hinweg zu dröhnen. Man bräuchte weniger Landebahnen und dadurch eine geringere Flächenversiegelung.

Conrado Dornier, Vertreter der ehemaligen Eigentümerfamilie, erinnerte an seine Kindheit, die er im Gilchinger Elternhaus am Steinberg, mit Blick auf den Flughafen, verbracht hatte. "Keine Flugbewegung ist mir als Knabe entgangen", sagte er. Der Anblick der Flieger habe ihn in Bann geschlagen. Oft sei er mit den Eltern auf dem Gelände gewesen, wo die Ingenieure ihm die Neuentwicklungen erläutert hätten. Er erinnerte an die zebragestreifte "Do 27" mit der der Tierforscher Bernhard Grzimek in die Serengeti geflogen ist, und an die "geräuschintensiven" 1960er und 70er Jahre, die den Anwohnern einiges abverlangt hätten. Wegen des Lärms sei aber auch das Bauland günstig gewesen. Doch die Zeiten hätten sich geändert. Der ehemalige Werksflughafen feiert heuer seinen 85. Geburtstag. Mit den derzeitigen Entwicklungen erfülle sich das Vermächtnis seiner Vorfahren, freute sich Dornier. Seine Familie ist auf dem Areal über die Dornier Seawing GmbH, die Amphibienflugzeuge entwickelt, vertreten.

Der Stellvertretende Landrat Matthias Vilsmayer ist in Gilching aufgewachsen und habe sich als Kind an den Flugzeugen erfreut. "Die Region hat von den Entwicklungen am Sonderflughafen profitiert", sagte er.

Stephan Bone-Winkel von der Betreibergesellschaft Bewo lobte die "enormen Entwicklungsmöglichkeiten des Standorts dank des bestehenden Baurechts". Das sei ein "Mehrgenerationenprojekt" stimmte Ingo Holz (Bewo) zu. Die Investoren hätten seit 2017 bereits 100 Millionen Euro am Standort investiert. Neun neue Gebäude wurden eingeweiht, sechs weitere sind in Bau, weitere in Planung, darunter ein Boarding-House, um die Anzahl der Pendler zu verringern. Auf dem Gelände des Sonderflughafens gibt es rund 3700 Arbeitsplätze in 30 Unternehmen. Er soll sich zu einem "Forschungsnukleus für Deutschland und darüber hinaus" entwickeln. "Wir spüren die Aufbruchsstimmung", so Adrian.

© SZ vom 28.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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