Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Schlemmen wie in Frankreich

Karin Meisenzahl hat in Weßling das Amselcafé übernommen und umgebaut. Dort kredenzt die Konditorin klassische Rezepte ebenso wie ausgefallene Eigenkreationen.

Von Patrizia Steipe

Bezaubernd ist das Wort, das wohl am besten die Atmosphäre im neuen Amselcafé an der Weßlinger Hauptstraße beschreibt. Die ehemalige Bäckerei Zobel ist nicht mehr wiederzuerkennen. Nachdem Bäcker Ernst Zobel sein Geschäft Anfang des Jahres aus gesundheitlichen Gründen hatte aufgeben müssen, hat die 30-jährige Karin Meisenzahl den Laden übernommen und komplett umgebaut. Auf dem Boden liegt Holzparkett, die Ladentheke hat ihr Freund, ein Schreiner, selbst gebaut. Dahinter sieht man glänzende Kaffeemaschinen, darunter ein Unikat für Filterkaffee aus den 50er-Jahren und natürlich eine Kuchentheke, die es in sich hat. Kein Wunder, Karin Meisenzahl ist schließlich gelernte Konditorin. Ein eigenes Café war immer schon der Traum der Gautingerin. Bereits während ihrer Ausbildung hat sie sich zwei stabile Holztische aus dem Lehrbetrieb gesichert, die ausgemustert werden sollten. Sie hat sie aufbereitet und nun werden sie wieder verwendet. Einen davon hat sie in ihre Backstube gestellt, in der man die Konditorin durch das Fenster oder durch die offene Türe im Geschäft beim Backen beobachten kann. Deswegen wurde auch die Backstube optisch ansprechend gestaltet. An den Wänden kleben sogenannte Metro-Fliesen, die ihren Namen der Pariser U-Bahn (Metro) verdanken und die derzeit im Trend liegen.

Der andere Backtisch steht als Mittelpunkt mitten im Ladenraum und trennt das Café von der Verkaufstheke ab. Er ist ein richtiger Hingucker und voller kleiner Präsente, wie selbst gemachte Marmeladen, Blumensträuße und Dekoartikel, die erworben werden können. Ein wenig erinnert das Café mit seinen vielen liebevollen Arrangements und dem Mix aus alten und neuen Möbeln an eine französische Patisserie. Die Liebe zu Frankreich spiegelt sich auch in den diversen Tartes wieder, wie in Frankreich die flachen, mit Obst belegten Mürbteigkuchen genannt werden, die hinter der Glasscheibe locken. "Es gibt nichts Langweiligeres als immer das Gleiche", ist das Motto der Konditorin. Ihre Kreativität kann sie beim Kuchenbacken voll ausleben: Mohnkuchen mit Johannisbeere, Rhabarberkuchen mit Baiser, Käsekuchen, aber auch interessante Kreationen wie Schokoladenkuchen mit Roten Rüben, Rezepte aus Großmutters Backbuch wie Buchteln mit Marillen oder Herzhaftes wie Blätterteig mit Ziegenkäse finden reißenden Absatz.

Damit sich die Gäste wohlfühlen, erfüllt Meisenzahl auch Sonderwünsche. Das reicht vom Kaffee mit Hafer- oder Mandelmilch für Veganer, über laktosefreie Milch bis zum frisch gepressten Orangensaft und den belegten Sandwiches für die Brotzeit mit Eiern vom Bauern. Die Kunden wissen das offenbar zu schätzen. "Mit so einem Andrang hätten wir gar nicht gerechnet. Wir sind glücklich, dass wir von den Weßlingern mit offenen Armen aufgenommen worden sind", erklärt Mutter Meisenzahl, die ihre Tochter regelmäßig im Geschäft unterstützt.

Besonders freuen sich die Weßlinger, dass sie im Amselcafé auch wieder ihre beliebten Brezen, Semmeln und Backwaren, original gebacken von Ernst Zobel, holen können. Er backt nämlich wieder regelmäßig und beliefert neben dem Seefelder Wochenmarkt jetzt auch das kleine Café. Ein wenig Geduld müssen die Kunden derzeit allerdings mitbringen. Wegen der Corona-Krise darf nur jeweils ein Kunde in das Geschäft und die Anzahl der Tische ist klein. Im Innenraum gibt es zwei Tische und im Freien nochmals zwei, deswegen bilden sich regelmäßig Schlangen vor der Türe. Doch die Kunden nehmen das Warten gerne in Kauf. "Wir haben schon so lange auf so ein Café gewartet, wie schön, dass Sie da sind", Worte wie diese hört Karin Meisenzahl immer wieder. Sie tun gerade in den derzeit wirtschaftlich ungewissen Zeiten richtig gut. Das Amselcafé ist dienstags bis sonntags von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Montag ist Ruhetag.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2020
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