Weßling:Am Kipppunkt angekommen

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Konkretes Handeln gefordert: Michael Schrödl (3. von links) mit Sebastian Grünwald, Florian Tyroller, Hans-Wilhelm Knape, Kerstin Täubner-Benicke (von links). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wissenschaftler spricht bei Grünen-Empfang über Klimawandel

Von Blanche Mamer, Weßling

"Wie wollen wir leben?" Für die Grünen im Landkreis ist das auch heuer, im Jahr der Kommunalwahlen, eine wichtige Frage mit unbequemen Antworten. Beim Neujahrsempfang des Kreisverbandes am vergangenen Freitag im Pfarrstadel in Weßling, zu dem rund 120 Parteimitglieder, Anhänger und Gäste gekommen waren, - unter ihnen die Professorin Ursula Münch von der Politischen Akademie in Tutzing und Pater Valentin vom Kloster Andechs - konfrontierte Professor Michael Schrödl in seinem Vortrag "Arten, Klima - Future?" die Zuhörer mit den Folgen des Artensterbens und des Klimawandels.

20 000 bis 60 000 Arten sterben laut Schrödl pro Jahr, "wobei wir nur einen Bruchteil der Arten kennen", sagt der Wissenschaftler, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt und Leiter der Weichtiersektion der Zoologischen Staatssammlung ist. Landtagskandidatin Martina Neubauer hatte ihn bei einer Veranstaltung kennengelernt, sich mit ihm einen Regenschirm geteilt, wie sie in ihrer Begrüßung erzählte.

Der Forscher sprach dann auch über typisch grüne Themen, darüber, dass jeder die Veränderungen in der Natur auch vor seiner eigenen Haustür sehen könne. Die furchtbaren Waldbrände am Amazonas, in Australien und selbst in Kanada, die brennenden Moore und die Veränderungen beim Permafrost seien weit weg, aber das Verschwinden der Spatzen, der Schwalben, der Feldhasen und Igel könne jeder erkennen. Selbst in Naturschutzgebieten gehe die Biodiversität zurück, da chemische Dünger, Pestizide und Insektizide, die auf den Feldern landeten, durch Luft und Wind verbreitet würden und nicht vor Biotopen halt machten.

Es reiche daher nicht anzuprangern, dass die amazonischen Regenwälder abgeholzt werden, um Palmöl und Soja anzubauen. Palmöl sei ein Bestandteil des Biodiesels, Soja werde an unsere Nutztiere verfüttert. "Das Leben stirbt sehr schnell, wenn erst mal der Kipppunkt erreicht ist", sagte Schrödl. Und da sei man gerade angekommen. "Wir zerstören gerade unsere Erde und die Zukunft unserer Kinder!", sagte der Wissenschaftler, der sich bei "Scientists for Future" engagiert und die Fridays- for-Future-Bewegung der Jugend unterstützt. Daran, so meint er, könnten sich die Älteren ruhig ein Beispiel nehmen und sich vor die Parlamente hocken, wie es Greta Thunberg monatelang vor dem schwedischen Parlament getan habe.

Es sei keine Option, so weiterzumachen wie bisher, meinte er. Es gehe vielmehr darum, die Prioritäten zu ändern. "Was derzeit an Natur- und Klimaschutz geplant ist, reicht hinten und vorn nicht." Sicher müsse die Politik klare Vorgaben für die Wirtschaft machen und mit einem Bonus-Malus-System arbeiten. Die 57 Millionen Euro jährlich an umweltschädlichen Subventionen müssten anders eingesetzt werden. Er warnte indes davor, zu viel zu verbieten, die Freude am Reisen zu nehmen. Jeder müsse bei sich selbst anfangen und ein Vorbild sein, dabei Familie, Freunde und Nachbarschaft mitnehmen. Schrödl forderte daher konkretes Handeln - und zwar jetzt. Damit untermauerte er das, was die Landratskandidatin Martina Neubauer bereits eingangs in ihrer Begrüßung gesagt hatte. Sie sei stolz auf den Erfolg im Landkreis beim Artenschutz-Volksbegehren, nun aber seien Entscheidungen gefragt, "die kurzfristig auch mal wehtun".

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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