Nach zwei wirtschaftlich schwierigen Jahren mit Verlusten verzeichnet die Firma Webasto mit Hauptsitz in Stockdorf einen Rekord. Im vergangenen Jahr habe der weltweit tätige Autozulieferer beim Umsatz zum ersten Mal die Marke von vier Milliarden Euro überschritten, berichtete der Vorstandsvorsitzende Holger Engelmann am Dienstag vor Pressevertretern in München. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Plus von 19 Prozent.
Das sah in der jüngsten Vergangenheit noch ganz anders aus, als in den ersten beiden Corona-Jahren deutliche Verluste zu verzeichnen waren. Und genau in diese Zeit fällt ein Ausbau der Firmenzentrale in großem Stil. Zur Frage nach den Kosten hieß es am Dienstag: "Zur Investitionssumme geben wir keine Auskunft." Zum Auftakt der Arbeiten für den zweiten Gebäudeteil wurde noch ein Betrag von 40 Millionen Euro genannt. Insgesamt dürften die Investitionen also in einer Größenordnung von mindestens 80 Millionen Euro liegen. Erhebliche Ausgaben in einer von Defiziten geprägten Zeit. Allerdings erscheint dieser Posten auf einem ganz anderen Papier. Der Konzern ist nämlich in Stockdorf lediglich Mieter, Bauherrin ist die Webasto-Werk W. Baier GmbH & Co. KG, eine Immobiliengesellschaft von Werner Baier und der Eigentümerfamilien.

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Insgesamt ist auf dem gut drei Hektar großen Grundstück zwischen Würm und Ortsdurchfahrt mitten in Stockdorf ein zweiteiliger Komplex mit markanter Architektur entstanden. Im Sommer vor drei Jahren hatten die Arbeiten am zweiten Teil der neuen Firmenzentrale mit dem Abriss des Altbestandes begonnen. Anfang Juli sollen nun nach Auskunft eines Firmensprechers die ersten Abteilungen einziehen, die während der Bauarbeiten ausgelagert waren. Die Bürocontainer auf einem Grundstück gegenüber an der Fleckhamer Straße können dann nach und nach wieder geräumt werden. Die Bauarbeiten indes dauern noch eine Weile an. Ein weiterer Trakt im rückwärtigen Bereich des weitläufigen Firmenareals an der Würm, intern "Gebäude 4" genannt, soll nächstes Jahr fertiggestellt werden.

Modernisierung, Expansion und Ausbau im Namen von Webasto geschieht auch weltweit. Für die Firma, die landläufig vor allem für Schiebedächer und Standheizungen bekannt ist, gewinnt der Bereich der Elektromobilität an Bedeutung, wie Engelmann im Münchner Presseclub erläuterte. In diesem neuen Geschäftsfeld konnte der Konzern den Umsatz auf etwa 292 Millionen Euro fast verdoppeln. Dabei geht es um den Bau von Batterien, Ladelösungen und elektrische Heizsysteme. Die Kapazitäten in diesen Bereichen werden deutlich ausgebaut.
In Dangjin in Südkorea werden seit etwa einem Jahr in Serie Batteriesysteme montiert; derzeit sind es 100 000 Module pro Jahr. Nach einem zusätzlichen Auftrag sollen die Kapazitäten erweitert werden. Das gilt auch für das Werk in Schierling in der Oberpfalz. Im Sommer nächsten Jahres soll dort die Serienproduktion beginnen. Ebenfalls im nächsten Jahr soll ein neues Werk in der Slowakei in Betrieb gehen. "Der Charging-Markt wird riesig groß", sagte Engelmann über die Batteriesparte. Von drei deutschen Auto-Herstellern seien große Aufträge eingegangen. Insgesamt misst er dem Bereich der Elektromobilität in der Zukunft eine große Bedeutung bei: "Wir sind da am Anfang einer neuen Entwicklung". Das bedeutet aber auch, dass eines der klassischen Webasto-Produkte immer weniger benötigt wird, wenn immer mehr Autos mit Elektromotoren unterwegs sind. "Perspektivisch wird dieser Bereich dann zurückgehen", sagte Engelmann über die bisher üblichen Standheizungen in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.

Allerdings machten Batterien, Ladelösungen und elektrische Heizsysteme zuletzt lediglich sieben Prozent des Umsatzes aus. Das Kerngeschäft machen weiterhin die Dachsysteme mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro aus.
Über die Gewinnaussichten für das laufende Jahr äußerte sich Vorstandschef Engelmann vorsichtig: "Webasto setzt alles daran, 2023 seine Profitabilität zu erhalten und ein positives Ergebnis zu erreichen. In diesem schwierigen Umfeld ist das aber ein äußerst anspruchsvolles Ziel". Der Konzern beschäftigt insgesamt fast 17 000 Mitarbeiter an mehr als 50 Standorten weltweit. Die Zahl der Beschäftigten ist weiter angestiegen. Das liegt nach den Worten des Vorstandschefs vor allem an der Übernahme des Luxemburger Glaspezialisten Carlex, an Neueinstellungen in Indien und Südkorea sowie an einem Großprojekt in Nordamerika.