Der Neuntklässler aus der Mittelschule in Gauting muss das jetzt ganz dringend sofort loswerden: „Mir macht die Arbeit hier sehr viel Spaß. Wir tun hier etwas für unsere Mitmenschen“, erklärt Yasin Kaplan ungefragt und mit großem Ernst. Und sein Klassenkamerad Ivan Radic ergänzt pragmatisch: „Wir haben hier Bewegung an der frischen Luft; Hauptsache keine Schule.“ Seit dem frühen Vormittag buddeln die beiden 15-Jährigen mit ihren Klassenkameraden im Wald bei Germering Löcher in den Boden, pflanzen kleine Bäume ein, schützen sie mit einer hellgrünen Kunststoffummantelung vor Mäuse- und Rehbissen. Hunderte grüne Plastiksäulen stehen schließlich in Reihen zwischen jungen Birken auf einer ehemaligen Brachfläche. Es ist ein Projekt einer gemeinnützigen Firma aus der Umgebung von Freiburg, das für den Besitzer des Privatwaldes hochinteressant ist, denn er muss dafür nichts bezahlen.
Hinter all dem steht Andrea Thoma aus Kirchzarten bei Freiburg, die Gründerin und ehrenamtliche Geschäftsführerin der gemeinnützigen Non-Profit-Organisation „Myreforest“. „Für mich ist das eine Herzensangelegenheit“, erzählt sie bei dem jüngsten Einsatz im Kreuzlinger Forst. „Das kostet viel Zeit und Energie, macht aber Spaß“. Man versuche, Schülern die Natur nahezubringen und bekomme dafür oft „ganz tolles Feedback“. Die GmbH ist mittlerweile bundesweit tätig, in Baden-Württemberg etwa oder in Hessen. Insgesamt seien bisher 33 Flächen aufgeforstet worden, sagt Wenka Russ, die für die Öffentlichkeitsarbeit und die Akquise von Sponsoren zuständig ist. Dabei seien 33 000 Bäumchen eingesetzt worden.
Im vergangenen Jahr wurde eine Fläche bei Emmering im Landkreis Fürstenfeldbruck bepflanzt; das war die erste derartige Aktion in Bayern. Nun kommt das Projekt im Kreuzlinger Forst zwischen Germering und Krailling hinzu. Nacheinander sind dort zwei Klassen aus der Paul-Hey-Mittelschule im Einsatz, mit ganz unterschiedlicher Begeisterung. Hier geht es um 4,7 Hektar; insgesamt 12000 Laubbäume wie Roteichen, Vogelkirschen und Baumhasel sollen hier einmal Wurzeln schlagen. Die zweite Truppe, die sich am Donnerstagvormittag mit Wiedehopfhaue und Schaufeln durch den Waldboden kämpft, ist mit dem größeren Engagement bei der Sache.
„Super, ganz toll“, sagt ihre Lehrerin Eva-Maria Mahr über die Freiluft-Lektion und den begeisterten Einsatz ihrer Schülerinnen und Schüler. Die hätten gefragt, ob sie hier etwas für den Klimaschutz tun. Es sei jedenfalls besser als das, was die Klimakleber tun oder Leute, die Hausfassaden mit Farbe beschmieren, meint die Lehrerin. PR-Frau Russ glaubt, dass die Jugendlichen bei dem Arbeitseinsatz im Wald einiges lernen könnten: „Viele Schüler kennen nicht mal mehr einen Regenwurm, geschweige denn, verschiedene Baumarten.“
„Myreforest“ übernimmt dabei vor allem die Organisation und Koordination, bringt interessierte Waldbesitzer, Sponsoren und ehrenamtliche Helfer zusammen. Die vielen Bäumchen, die zusammen tausende Euro kosten, werden aus Spenden finanziert. Die Arbeit übernehmen freiwillige Helfer, Schulklassen etwa oder auch Firmen, die daraus ein Teambuilding-Event machen. Zusammen mit den Gautinger Schülern sind in der vergangenen Woche zum Beispiel Eon-Mitarbeiter im Einsatz. Und so kann es gelingen, dass eine Brachfläche für den Besitzer gratis aufgeforstet wird.
Im Gegenzug übernimmt der jeweilige Waldbesitzer einige Verpflichtungen. Zum Beispiel muss er den Boden für die Pflanzaktion vorbereiten. In den ersten fünf Jahren danach muss er die jungen Bäume freischneiden und etwa Brombeergebüsche beseitigen, die Fläche bei Bedarf bewässern oder auch einmal Nachpflanzungen vornehmen. Außerdem verpflichtet sich der Besitzer vertraglich, den Wald für 80 Jahre nicht zu fällen. Myforest räumt aber selbst ein, dass so etwas für höchstens 30 Jahre gerichtlich durchsetzbar wäre; danach handle es sich um eine reine Selbstverpflichtung.
Im nächsten Jahr geht die Arbeit weiter
Seit der Klimawandel mit Hitzeperioden den Wäldern zusetzt, sodass Borkenkäfer und Stürme schnell größere Schäden anrichten können, klaffen auch in den Forsten rund um München größere Lücken. Für Privateigentümer kann das Aufforsten eine teure Angelegenheit sein, in manchen Fällen unbezahlbar.
In dem Waldstück im Kreuzlinger Forst haben die Vorbereitungen im Juni mit Vorbesprechungen mit dem Besitzer begonnen. Auch der Förster Christian Gick von der Waldbesitzervereinigung Starnberg ist dabei jeweils involviert. Die Arbeiten sind für dieses Jahr abgeschlossen, im nächsten Jahr geht es weiter. Die gesamte Fläche soll mit einem Zaun gegen Wildverbiss und Fegeschäden geschützt werden. Noch werden Helfer gesucht. Derweil plant Myreforest weitere Projekte in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz.