Süddeutsche Zeitung

Wahl:Warum Landtagskandidaten in benachbarten Stimmkreisen antreten

Mehrere Politiker werben nicht in ihrer Heimat um Erststimmen. Das sieht nach einer Verlegenheitslösung aus - kann aber wegen des Wahlsystems taktisch geschickt sein.

Von Michael Berzl

Der ehemalige bayerische FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil aus Gauting macht's, der gescheiterte SPD-Bundestagskandidat Christian Winklmeier aus Gilching macht's auch - genau wie die Münchnerin Christiane Kern, die im Stimmkreis Starnberg für die SPD als Direktkandidatin antritt. Sie alle wollen in den Landtag, werben aber nicht in ihrem jeweiligen Heimat-Landkreis um Stimmen, sondern lassen sich bei den Nachbarn nominieren. Das kann wegen des bayerischen Wahlsystems taktisch sogar ganz geschickt sein.

Der liberale Kandidat Zeil, der im Landkreis Starnberg der Hörfunk-Journalistin Britta Hundesrügge den Vortritt lassen musste, hatte nach seinen eigenen Worten "Angebote von mehreren Stimmkreisen" und sich dann für Weilheim-Schongau entschieden. "Denen kann ich mit meiner Erfahrung bestimmt helfen", sagte er nach seiner Nominierung. Der 61-jährige Jurist arbeitet derzeit als Rechtsanwalt in einer Münchner Kanzlei.

Bei dem 26-jährigen Studenten Winklmeier waren offenbar die Fürstenfeldbrucker Genossen einfach schneller als die Starnberger. Der Landtagsabgeordnete Herbert Kränzlein wollte mit seinen 67 Jahren nicht noch einmal antreten, suchte einen Nachfolger und wurde fündig. "Die haben in Landsberg und Fürstenfeldbruck registriert, dass ich einen guten Wahlkampf gemacht und ein gutes Ergebnis erzielt habe", sagte Winklmeier. Jetzt ist er dort Direktkandidat und damit zumindest zum Teil in einer Gegend, in der er schon als Bundestagskandidat aufgetreten war.

Damit hatte die Starnberger SPD ein Personalproblem. Da kam es gelegen, dass die Kriminalhauptkommissarin Kern bei einer parteiinternen Abstimmung in München erst einmal eine Niederlage kassierte. Sie wollte ursprünglich in ihrem Giesinger Stimmkreis antreten, die Genossen entschieden sich aber für einen Konkurrenten. Wenige Tage später war die Starnberger Kreisvorsitzende Julia Ney am Telefon, bot Kern das Direktmandat im Stimmkreis 129 an. Die Personalrätin hat Ämter bei der Gewerkschaft der Polizei, gehört dem Vorstand der sozialdemokratischen Frauen in München an und ist Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching. Bei einer Vorstandssitzung in Gauting überzeugte sie die Genossen, nun fehlt das Votum der Delegierten. "Mir ist das Thema innere Sicherheit wichtig, und in der bayerischen SPD gibt es noch keinen, der da so richtig vom Fach kommt", sagte sie der SZ. Mit dem Gedanken, im Fünfseenland Wahlkampf zu machen, hat sie sich angefreundet. Die Gegend kennt sie von Ausflügen an den Starnberger See oder zum Buchheim-Museum.

Was zunächst wie Verlegenheitslösungen aussieht, kann wegen der Besonderheiten des Wahlrechts in Bayern taktisch durchaus sinnvoll sein. Denn die Wähler dürfen zwei Kreuzchen machen - und so die Listen der Parteien durcheinanderwirbeln: Die Erststimme geht an den Direktkandidaten im Stimmkreis. Die Zweitstimme wird für den Wahlkreis Oberbayern vergeben, auf dieser Liste stehen alle Kandidaten außer der jeweilige Direktkandidat.

Beispiel: Winklmeier steht im Stimmkreis Fürstenfeldbruck als SPD-Direktkandidat zur Wahl und im übrigen Oberbayern als Listenkandidat der SPD - also auch in Starnberg. Wer sich als Politiker einen Namen gemacht hat, darf also hoffen, neben den Erststimmen bei den Nachbarn auch viele Zweitstimmen in der Heimat zu bekommen. Um zu ermitteln, wie sich die 180 Sitze im Landtag letztlich aufteilen, werden die beiden Stimmen nämlich zusammengezählt. Anders als bei der Bundestagswahl können die Wähler einzelne Kandidaten so ins Maximilianeum häufeln.

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SZ vom 05.01.2018
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