Vortrag:Villenkolonie der Reichen

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Heimatforscher Gerhard Köstler zu Pöckings Historie

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Der Maler Moritz von Schwind hatte hier seine Sommerresidenz, ebenso der königliche Erzgießer Ferdinand von Miller und Hofopernsänger Heinrich Knote. Der Sohn des letzten Österreichischen Kaisers, Otto von Habsburg, hat hier gewohnt, die umstrittene Regisseurin Leni Riefenstahl und im Ortsteil Maising Filmproduzent Bernd Eichinger. Die Gemeinde Pöcking kann sich mit vielen bekannten Namen schmücken. Auch der Mordfall der 1960-er Jahre, als Vera Brühne Otto Praun und seine Geliebte umgebracht hatte, blieb den Pöckingern im Gedächtnis. Für die Geschichte in ihrem Heimatort interessieren sich die Pöckinger, wie der Vortrag "Pöcking und seine Geschichte" von Gerhard Köstler am Freitag zeigte. Der Saal in der Sozialstation war voll.

Mit dem Bau der Bahnlinie 1865 bauten reiche Münchner Sommerresidenzen am Starnberger See. Wer es sich leisten konnte, verließ die Stadt. Die barg viele gesundheitliche Gefahren wie Cholera und Typhus. "Es gab eine enorme Siedlungstätigkeit aus Industrie, Adel, Politik und Kunst", sagte Rosemarie Mann-Stein, Vorsitzende des Fördervereins Kaiserin Elisabeth Museum, die Gerhard Köstler eingeladen hatte. Der Pöckinger befasst sich seit Jahren mit Heimatgeschichte. Er hält Vorträge, macht Führungen und hat auch einen Film über die Sehenswürdigkeiten rund um den Starnberger See gedreht.

Köstler spannte einen weiten Bogen über die ersten Siedlungen in der Frühgeschichte - beim Bau der Pöckinger Ortsumgehung 1996 sind Keltengräber aus der Zeit 800 bis 600 vor Christus gefunden worden - über die erste Siedlung 500 nach Christus bis heute. Die Niederpöckinger Villenkolonie wurde im 19. Jahrhundert von acht Münchner Familien gegründet. Die bekanntesten Bauwerke aus dieser Zeit sind die Villa Knorr, das heutige Hotel "La Villa", die Villa von Miller, die Zitzmann-Villa, die derzeit zum Hotel umgebaut wird, die Villa "Austria", in der Otto von Habsburg von 1954 bis zu seinem Tod 2011 gewohnt hat. Die Villa Heidinger diente als Vorlage für Schloss Höhenried, das 100 Jahre später gebaut wurde.

Eingehend ging Köstler auf die bewegte Geschichte von Schloss Possenhofen ein. Dort hatte die Österreichische Kaiserin Elisabeth ihre Jugendjahre verbracht. Denn das Schloss, das Herzog Wilhelm IV. im Jahr 1536 für 20 000 Gulden bauen ließ, wurde im Laufe der Zeit an viele verschiedene Eigentümer verkauft - immer mit Gewinn. "Sie sehen, die Preise stiegen schon damals", witzelte Köstler. 1834 kaufte es Sisis Vater, Herzog Max in Bayern und ließ einen großen englischen Park anlegen, das heutige Paradies. 1940 wurde das Schloss an den Staat verkauft und die Nazis nutzten es als Volkswohlfahrt, Ausbildungszentrum, Lazarett und Flüchtlingslager. 1950 kaufte Familie Bagusat das Schloss. Es sollte für einen wohltätigen Zweck verwendet werden. Weil die Familie es aber als Fabrik nutzte, gab es einen Rechtsstreit, bei dem das 13 Hektar große Erholungsgelände an die Stadt München ging. Das Schloss selbst wurde in den 1980-er Jahren von Professor Franz Schilke erworben, der es in Eigentumswohnungen umbaute. Die Schlosskapelle sollte ein Dokumentationszentrum werden. Es gab eine Grunddienstbarkeit, die aber nie umgesetzt wurde. Den Prozess gegen die Schlosseigentümer hat die Gemeinde nach Angaben von Bürgermeister Rainer Schnitzler verloren.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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