Süddeutsche Zeitung

Vortrag:Gegen das Vergessen

Mediziner referiert in Gauting über den NS-Rassenwahn

Die "Gesellschaft für Archäologie und Geschichte - Oberes Würmtal" will sich jetzt neben den archäologischen Themen verstärkt der Zeitgeschichte zuwenden. Beim Jour fixe am Freitag, 4. Oktober, 19.30 Uhr im Restaurant "Nostos" an der Leutstettenerstraße 50 geht der Mediziner Frank Höpner auf die Geschichte der Orte Gauting, Steinhöring und St. Ottilien ein. "Rund 75 Jahre nach dem Rassenwahn des Nazi-Regimes drohen dessen menschenverachtende Taten aus dem allgemeinen Bewusstsein zu entschwinden. Dem will der Referent mit seinem Vortrag 'Gauting, Steinhöring, St. Ottilien. Geht uns das noch was an?' entgegen treten", heißt es in der Ankündigung.

Die Geschichte Gautings während der Kriegsjahre und die unmittelbare Nachkriegszeit seien verhältnismäßig gut aufgearbeitet, sagt Höpner. Trotzdem könne man nicht oft genug an den Todesmarsch der Häftlinge des KZ Dachau durchs Würmtal erinnern, an das Hospital für "displaced persons" und den jüdischen Friedhof, sagt Höpner. In der Geschichte von Steinhöring nahe Ebersberg zeige sich das Ausmaß des NS-Rassenwahns. Was viele nicht mehr wüssten: Dort befand sich die Zentrale und das erste Heim "Hochland" des "Lebensborn"-Programms, dessen Ziel es war, "arischen" Nachwuchs zu fördern. Ledige werdende Mütter rein "arischer Abstammung", die sich mit SS-Angehörigen eingelassen hatten, konnten ihre Kinder dort zur Welt bringen und dem Verein zur Adoption überlassen, Kinder, die nach dem Krieg niemand mehr wollte und die zeitlebens unter ihrer Herkunft litten. Die Abtei St. Ottilien nahe Augsburg stehe dagegen für Hoffnung, sagt Höpner. Nach Kriegsende wurde dort eine Entbindungsklinik (damals "Gebäranstalt" genannt) für jüdische Überlebende eingerichtet. In dem Krankenhaus wurden etwa 400 jüdische Kinder geboren. Laut Höpner will der Verein als nächstes Verfolgte des Nazi-Regimes befragen, die nach Gauting geflüchtet waren.

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SZ vom 02.10.2019 / bla
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