Prozess:Gericht kürzt Starnbergs Bürgermeisterin Bezüge um zehn Prozent

Prozess: Starnbergs Bürgermeisterin Eva John ist verurteilt worden.

Starnbergs Bürgermeisterin Eva John ist verurteilt worden.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Münchner Verwaltungsgericht hat die Starnberger Bürgermeisterin Eva John verurteilt. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass sie ihre Dienstpflichten verletzt hat.
  • Für ein Jahr sinken ihre Bezüge um zehn Prozent - das dürfte einer Strafe von etwa 10 000 Euro entsprechen.
  • Das Gericht gibt ihr damit einen großen Teil der Verantwortung für das Klima im Starnberger Rathaus.

Aus dem Gericht von David Costanzo und Peter Haacke, Starnberg

Die Uhr tickt für Starnberg. Was passiert, wenn die Verträge mit der Bahn über eine Gleisverlegung am See unerledigt auslaufen? Stadträte fürchten, dass die Stadt mit der surrealen Summe von 110 Millionen Euro haften muss, und beschließen ein Rechtsgutachten. Doch Bürgermeisterin Eva John braucht ganze neun Monate, um das Gutachten in Auftrag zu geben. Fünf Monate vergehen, bis es im Stadtrat vorgestellt wird, und noch einmal zwei Monate, bis die Stadträte darin blättern dürfen - innerhalb weniger Stunden in einem einzigen Exemplar mit 130 Seiten. Und die Zeit läuft.

Das waren die dramatischen Monate Mitte bis Ende 2017, am Donnerstag ist die Bürgermeisterin für ihre Amtsführung in dieser Zeit verurteilt worden. Das Münchner Verwaltungsgericht sieht es als erwiesen an, dass John Beschlüsse des Stadtrats nicht oder nicht ausreichend umgesetzt und damit ihre Dienstpflichten als Bürgermeisterin verletzt hat. Die Richter kürzen ihr die Bezüge für ein Jahr um zehn Prozent - das dürfte bei einem Grundgehalt von 8070 Euro brutto im Monat einer Strafe von etwa 10 000 Euro entsprechen.

Stadtrat gegen Bürgermeisterin, Bürgermeisterin gegen Stadtrat - zumindest gegen eine Mehrheit des höchsten politischen Gremiums in Starnberg: In der von Streit und Verwerfungen geprägten Legislaturperiode erreicht die Auseinandersetzung in jenen Tagen einen Höhepunkt. Immer wieder monieren Stadträte die Amtsführung Johns, melden Versäumnisse der Rechtsaufsicht im Landratsamt, die schließlich die Landesanwaltschaft einschaltet. Nach einem Jahr Ermittlungen erheben die Vertreter des Freistaats Klage.

Am Mittwoch kam es zur Verhandlung, in der John in einem tränenerstickten Schlusswort jede Absicht von sich wies und ihre Anwälte sie zum politischen Opfer der Mehrheit im Stadtrat stilisierten. Nun haben die Richter der Bürgermeisterin jedoch einen großen Teil der Verantwortung für das Klima im Rathaus gegeben.

Die Bahnverträge sind das wohl wichtigste Thema Starnbergs - wegen der Kosten und der Anbindung an den See, die das Gesicht der Stadt prägt. Vor allem hier hätte John die Stadträte besser einbinden müssen, schneller handeln, umfassender informieren, urteilen die Richter. Doch sie hat die Fraktionen nicht an den Gesprächen mit der Bahn beteiligt und dem Konzern den Willen der Mehrheit, nämlich die Verträge verlängern zu wollen, zu spät kundgetan, stellen die Richter fest.

Auch in anderen Fragen hat die Bürgermeisterin sich dem Urteil zufolge Dienstvergehen schuldig gemacht. Der Stadtrat wollte Teile des Einkaufszentrums "Centrum" nahe des Rathauses kaufen. Doch John beanstandete den in ihren Augen rechtswidrigen Beschluss erst, als das "Centrum" längst verkauft war. Und gegen ihre Pflicht zur unparteilichen Amtsführung hat sie verstoßen, als sie in einer Replik auf einen SZ-Artikel, der zeitweise auf der Internetseite der Stadt zu finden war, Stadtratsmitgliedern und Rechtsaufsicht rechtswidriges Handeln vorgeworfen hat. Insgesamt bewertet das Gericht die Dienstvergehen als "mittelschwer".

Es ist der zweite Prozess, dem sich John wegen ihrer Amtsführung und wegen der Bahnverträge stellen muss: Eine Mehrheit des Stadtrats hatte auf Herausgabe des Rechtsgutachtens geklagt. Bis es im Juli vor einem Jahr zum Verfahren kam, hatte sich die Sache zwar schon erledigt. Die damalige Verwaltungsrichterin mahnte John jedoch eindringlich - der Stadtrat sei der Kopf einer Kommune und der Bürgermeister die Arme.

Von geringeren Vorwürfen haben die Richter John am Donnerstag freigesprochen. Die Landesanwaltschaft hatte ihr noch vorgeworfen, eine Information zum B2-Tunnel zu spät versandt zu haben, und dass sie nichts gegen eine Abstimmung in einer Sondersitzung unternommen habe, obwohl das Gremium mangels Stadträten nicht beschlussfähig gewesen war. John zeigte sich enttäuscht über das Urteil, will sich aber erst dazu äußern, wenn die Begründung vorliegt. Auch die Landesanwaltschaft will noch nichts sagen. In der Verhandlung hatte sie eine Kürzung der Bezüge für vier Jahre gefordert. Beide Seiten können in Berufung gehen. John hatte schon vor der Verhandlung angekündigt, im März 2020 noch einmal zur Bürgermeisterwahl anzutreten.

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