Süddeutsche Zeitung

Talentiade 2019:Der Pferdeflieger

Lesezeit: 3 min

Jannik Liersch aus Krailling vollführt Salti auf dem Rücken von Adlon. Der 17-Jährige ist Vize-Europameister im Voltigieren und will bei der Weltmeisterschaft aufs Treppchen.

Von Carolin Fries, Krailling

Wenn man erklären muss, was Jannik Liersch da macht auf dem Rücken eines Pferdes, das an einer Longe im Kreis galoppiert, wird es kompliziert. Besser ist es, man sieht dem 17 Jahre alten Kraillinger dabei zu. Dann nämlich sieht es ganz einfach aus: Ein paar Schritte nur läuft er neben dem erfahrenen Wallach her, der so groß ist, dass man den schlanken jungen Mann zunächst gar nicht sieht. Dann setzt er seine Hände an den Longiergurt, um nur wenige Sekunden später freihändig auf dem Pferderücken zu stehen und ins Publikum zu lächeln.

Mit gewagten Luftsprüngen und akrobatischen Kunststücken geht es weiter, Thema seiner Kür ist das Leben des Hochstaplers Frank Abagnale ("Catch me, if you can"). Jannik Liersch trägt ein enges Piloten-Kostüm und springt zum Abschluss seiner Überflieger-Nummer wagemutig mit einem Rückwärtssalto von seinem vierbeinigen Gefährten Adlon ab. Die von ihm selbst geschnittene Musik stoppt, das Publikum applaudiert, Jannik Liersch strahlt: Bei den Voltigier-Europameisterschaften im vergangenen Jahr in Ungarn gewann der Kraillinger mit seiner Pflicht- und Kürwertung den Vizetitel - sein bisher größter Erfolg.

Bei der vergangenen WM war er Vierter

In dieser Saison, seiner letzten bei den Junioren, will er es als Asterix wissen. In vier Wochen stehen die Qualifikationen für die Weltmeisterschaft an und Jannik hat nach seinem vierten Platz bei der WM 2017 in Österreich ein klares Ziel: "Ich will schon unter die ersten Drei." Dafür investiert der Schüler viel Zeit und Energie. Fünfmal in der Woche trainiert er, mindestens dreieinhalb Stunden pro Einheit, am Wochenende sind es auch mal fünf. Dafür fährt er zum Voltigierverein Ingelsberg nach Vaterstetten im Landkreis Ebersberg, wo auch das Landesleistungszentrum angesiedelt ist.

"Mit meinem 125er-Motorrad bin ich recht schnell dort, das geht schon", sagt er. Dennoch: Meist käme er nach der Schule nur kurz nach Hause, um kurz darauf wieder ins Training zu fahren. Für ihn ist es den Aufwand wert. Was er an seinem Sport besonders liebt? "Die Arbeit mit dem Pferd und den Teamcharakter." Denn nicht nur in der Einzelwertung, auch mit der Mannschaft kämpft Jannik Liersch um Medaillen. Zu seinen Spezialitäten gehören überraschend hohe Sprünge und Brücken: "Mein Rücken ist ziemlich beweglich", sagt er nur.

Mutter Ursula Liersch bewundert den Mut ihres Sohnes und sein gutes Gespür für das Pferd, das wichtiger Partner der Akrobaten sei. Die Familie begleitet Jannik meist zu seinen Wettkämpfen, investiert viel Zeit und Geld in den Sport. Nahezu jedes Wochenende sind sie unterwegs, einmal im Monat geht es in der Regel ins Ausland. "Wir lernen Europa über die Pferdehöfe kennen", sagt die 49 Jahre alte Ernährungswissenschaftlerin scherzend. Sie würde sich wünschen, dass der Voltigiersport mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfährt. Und manchmal auch, dass sie ihren Sohn öfter sieht. Doch sie weiß: "Es ist eine begrenzte Zeit, die er das so machen kann." Mit Mitte 20 enden die Karrieren der Profis meistens.

Vor sieben Jahren hat er mit dem Voltigieren angefangen

In dieser Woche trainiert Jannik ausnahmsweise nicht. Er ist mit seiner zehnten Klasse auf Abschlussfahrt in Venedig. "Wenn ich das den Trainern vorher ankündige, klappt das schon mal", sagt er. Er ist vom Feodor-Lynen-Gymnasium in Planegg auf die Realschule nach Herrsching gewechselt, "die Noten waren einfach nicht gut genug". Dem Sport gibt er dafür nicht die Schuld: "Ich hab einfach nicht lernen wollen." An der Realschule starte er nun bestens gerüstet in die Prüfungen, "das war eine gute Entscheidung".

In zwei Wochen geht es mit den mündlichen Prüfungen los, nach den Pfingstferien folgen die schriftlichen Tests. Und zwischendrin will Jannik Liersch auf dem Rücken von Adlon die WM-Quali klar machen. Es ist ein straffes Programm, das sich der junge Kraillinger vorgenommen hat - aber anders kennt er es nicht, seit er vor sieben Jahren mit dem Voltigier-Sport begonnen hat. Dabei wollte er ursprünglich nur mal ausprobieren, wofür sich seine beiden Schwestern begeistern.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2019
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