Voltigieren:Im Asterix-Kostüm zur Goldmedaille

Der 17 Jahre alte Jannik Liersch aus Krailling wird im niederländischen Ermelo auf dem Rücken der Stute Elegante Junior-Weltmeister. Er selbst kann den extrem knappen Sieg zunächst gar nicht fassen.

Von Carolin Fries

"Echt krass". Mehrmals benutzt Jannik Liersch diese beiden Worte, um zu beschreiben, was er in den vergangenen Tagen erlebt hat. Der 17 Jahre alte Kraillinger ist am Samstag im niederländischen Ermelo überraschend Junioren-Weltmeister im Einzel-Voltigieren geworden, mit der Seniorenmannschaft erreichte er den zweiten Platz. Die beiden Medaillen sind dann auch das erste, was er am Montag auspackt und auf den Küchentisch legt. Mutter Ursula Liersch kann es immer noch kaum glauben. "Es war ein Krimi", erzählt die 49-Jährige vom Wettkampf.

An vier Tagen galt es für den EM-Vizemeister vom VV Ingelsberg im Landkreis Ebersberg jeweils abwechselnd die Pflicht- und Kürübung zu zeigen. Janniks Lieblingspferd Adlon, bereits 23 Jahre alt, hatte man die weite Reise erspart, weshalb Jannik auf der 18 Jahre alten Elegante turnte. Ursula Liersch nennt die Stute "manchmal nicht so berechenbar" und tatsächlich lief sie die ersten beiden Durchläufe nicht gleichmäßig mit, variierte im Tempo. "Ich konnte gut drüber turnen", erinnert sich Jannik, mit der Punktewertung war er dennoch nicht zufrieden. Als Zweitplatzierter startete er schließlich am Samstag vor Sven Ris in die Kür. Der Schweizer hatte sich einen großen Vorsprung herausgearbeitet. Dennoch gab der Kraillinger alles in seiner frechen Nummer als Asterix in roter Hose und schwarzem, ärmellosen Top - und seine gewagt hohen Sprünge und Übungen gelangen ihm nahezu perfekt. 8,23 Punkte gab es dafür. Aus der "Kiss and Cry"-Zone verfolgte er schließlich die Kür seines Kontrahenten, dessen Pferd zweimal stehen blieb und Ris einen Sturz und hohe Punktabzüge einbrachte. Als die Gesamtwertung auf der Anzeigentafel seinen Namen mit 8,003 Punkten an erster Stelle anzeigte, konnte er es gar nicht glauben. "Damit hatte ich nicht mehr gerechnet", erzählt Jannik. "Es war extrem knapp."

Jannik Liersch wird  in Ermelo (NL) U18-Weltmeister im Ein6zel-Voltigieren

Als Asterix turnt der 17 Jahre alte Jannik Liersch in Ermelo auf der 18 Jahre alten Stute Elegante seine Weltmeister-Kür.

(Foto: Jürgen Wilfling)

Es kullerten dann auch ein paar Tränen, bevor sich der 17-Jährige mit Longenführer Alexander Hartl auf die Ehrenrunde durch die Reithalle machte. Danach bahnte er sich durch die zahlreichen deutschen Fans einen Weg auf die Tribüne zu seiner Familie. Nicht nur die Eltern, auch die Schwestern Isabel (20) und Sarah (14), die ebenfalls voltigieren, hatten dort mitgefiebert. "Für mich als Mama war das ein ganz besonders schöner Moment", erzählt Ursula Liersch, die gesteht, ebenfalls ein paar Freudentränen geweint zu haben. Die Medaillen gab es erst am Abend, geehrt wurden sowohl die Athleten als auch die Longenführer und die Pferde. Jannik Liersch hatte seine Elegante zu diesem Zeitpunkt freilich schon mit einem Leckerli und einem Apfel belohnt. "Ich hatte eine große Tüte für die ganze Woche dabei." Seine Freunde informierte er mit einer Instagram-Story. Groß gefeiert wurde der Weltmeister-Titel nicht, schließlich stand für Sonntag noch der Start mit der Mannschaft an.

"Das holen wir heute mit der Familie nach", sagt Ursula Liersch am Montagmorgen. Die Ernährungsberaterin packt zu diesem Zeitpunkt gerade den Wohnwagen aus, mit dem die Familie gereist war. Erst spät in der Nacht sind sie zurückgekommen. Jannik war sogar erst um sechs Uhr morgens im Bett, weil er noch mit den Teamkollegen die Pferde in Ingelsberg versorgt hat. Mittags am Telefon sagt er dann, dass er doch sehr erleichtert sei. Und immer noch müde. "Noch ein bisschen ausschlafen", antwortet auf die Frage nach dem Plan für den Nachmittag.

Voltigieren: Dafür wird er – ebenso wie Longenführer Alexander Hartl (re.) – mit der Goldmedaille geehrt.

Dafür wird er – ebenso wie Longenführer Alexander Hartl (re.) – mit der Goldmedaille geehrt.

(Foto: oh)

Ein bisschen wird sich Jannik Liersch noch ausruhen können, erst am Mittwoch wird er wieder in Ingelsberg trainieren. Fünfmal in der Woche übt er hier gewöhnlich neben der Schule, mindestens dreieinhalb Stunden pro Einheit, am Wochenende auch mal fünf. Doch nicht nur der Sport ist ihm wichtig. Wenn im Frühjahr die Amphibie wandern, steht er mit seinem Freund regelmäßig nachts mit Warnweste am Kraillinger Ortsrand, um im Auftrag des Bundes Naturschutz Kröten und Frösche über die stark befahrene Straße zu tragen.

Zuletzt aber hatte sich der Jugendliche ausschließlich auf die WM fokussiert. In den zwei Wochen vor der Weltmeisterschaft ist er jeden Tag mit seinem 125er-Motorrad nach Vaterstetten gefahren, wo auch das Landesleistungszentrum angesiedelt ist. In die Schule musste er nicht her, nachdem er zuvor die Abschlussprüfungen an der Realschule in Herrsching abgelegt hatte. Nach den Sommerferien wird er die Fachoberschule besuchen.

Bis es so weit ist, will Jannik Liersch möglichst noch einen deutschen Meistertitel holen. In eineinhalb Wochen kämpft er mit der Ingelsberger Seniorenmannschaft im hessischen Alsfeld um die Plätze. Und auch den Weltmeistertitel gilt es noch zu feiern. "Am Freitag im Stall in Ingelsberg und am Samstag dann bei den Großeltern in Heidenheim", wie Ursula Liersch sagt. Erst danach wird Jannik seine WM-Medaillen zu jenen in den Bilderrahmen in seinem Zimmer hängen. Ohne Pferde, Interviewanfragen und Terminplan wird Familie Liersch dann in Sardinien zwei Wochen Urlaub machen. "Danach wird dann aber gleich wieder trainiert", sagt der Weltmeister.

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