Kreatives Seminarhaus:Eine Villa für alle

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Michi Kern im Treppenhaus der kuntenbunten "Villa K". (Foto: Georgine Treybal)

Die "Villa K" in Pöcking bietet ukrainischen Geflüchteten Schutz. Ursprünglich wollte der Gastronom Michi Kern das historische Gebäude zu einem kreatives Seminarhaus umbauen. Das Konzept geht trotzdem auf: Ferienkinder und Geflüchtete leben dort nun gemeinsam.

Von Paul Wiese, Pöcking

Einst privater Landsitz, später die Bundesschule des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und schließlich als Luxushotel geplant: Die "Villa K", wie sie heute heißt, hat in den hundert Jahren ihres Bestehens bereits einiges erlebt. Dennoch thront das imposante Gebäude mit seiner sonnengelben Fassade noch immer am Ufer des Starnberger Sees in Pöcking.

Der lange Leerstand der Villa fand vor einigen Monaten sein Ende: Nun ist sie ein kreatives Seminarhaus - und ein Reiseziel für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, die dort ihre Ferienfreizeiten verbringen.

Die sonnengelbe Villa steht in Niederpöcking am Starnberger See. (Foto: Georgine Treybal)
Hier wird gegessen: der Speisesaal der Villa K. (Foto: Georgine Treybal)
Die Küche ist für alle nutzbar. (Foto: Georgine Treybal)

Nach viermonatiger Renovierung eröffnete die Villa K im Mai 2022 ihre Türen - einige Zeit früher als geplant, denn in Europa hatte mehrere Wochen zuvor der russische Angriff auf die Ukraine begonnen. Viele Schutzsuchende erreichten seinerzeit auch die Gegend am Starnberger See. Eine Gruppe ukrainischer Familien, die damals in einer Turnhalle untergebracht war, fand in dem Anwesen vorerst ihr neues Zuhause und bildet gemeinsam mit den Ferienkindern seither "eine tolle Wohngemeinschaft", wie Michi Kern berichtet. Er ist der Initiator des Projekts und in der Region kein Unbekannter: Der Münchner Gastronom hatte die Idee bereits vor einigen Jahren - und konnte sie umsetzen, weil die IG Metall, der die Villa gehört, ihn dabei unterstützte.

Die geflüchteten Familien sind noch immer da. Das sieht Kern positiv: "Dem Haus tut es gut, wenn es bewohnt ist." Inzwischen sind sogar einige der Ukrainerinnen bei der Villa K. angestellt. Sie kochen, putzen und waschen, wenn Ferienkinder da sind.

Auch der See bietet Kindern und Jugendlichen einen ganz eigenen Erlebnisraum

Für diese Kinder und Jugendlichen bietet das dreistöckige Seminarhaus die Möglichkeit, ihre Ferien vor Bergkulisse zu verbringen. Über ihre Sozialträger kommen Einrichtungen, die schwer erziehbare oder den Eltern entzogene Kinder und Jugendliche betreuen, nach Pöcking und können dort vieles erleben: Neben der Holzwerkstatt, einem Kletter- sowie Bastelraum und dem Theatersaal bietet der See einen ganz eigenen Erlebnisraum. Aber auch Theatergruppen könnten zum Beispiel kommen, sagt Kern.

Betritt man das Foyer der Villa - fast könnte man von einer Eingangshalle sprechen - fällt der Blick auf bunte Teppiche und selbst gemalte Bilder. Ein Gefühl von Jugendfreizeit kommt auf. Kein Wunder, dass alle Zimmer im laufenden Jahr ausgebucht sind. Die Sozialeinrichtungen sind oft frei in ihrer Planung und nicht an die Schule gebunden. "Wir haben fast durchgehend Programm, weil immer irgendwo Ferien sind", erklärt Kern. Bis Mitte November habe man keinen Tag ohne Ferienkinder.

Die Kletterwand im Sportraum ist beliebt und hält fit. (Foto: Georgine Treybal)

Doch fertig ist die Villa K noch nicht. Einige Räume und die Remise müssen noch renoviert werden, die zweite Küche, das Papieratelier und der Garten sind noch in Arbeit. Das will man in diesem Jahr schaffen. Angemietet ist das Haus für die nächsten 15 Jahre, doch das Projekt soll viel länger bestehen bleiben: "Ich hoffe, dass es mich überleben wird", sagt Kern und lacht. Man sei auch auf der Suche nach ähnlichen Immobilien, die Villa platze bereits jetzt aus allen Nähten. Und: Auf einem Binnengrundstück gegenüber soll weiterer Wohnraum für Geflüchtete entstehen. Etwa 35 bis 45 Wohneinheiten, auch für Studierende, Auszubildende und Alleinerziehende.

Doch wo ist der Haken an dem Projekt? "Man könnte noch diverser werden", sagt Kern. Die barrierefreien Zimmer seien zum Beispiel noch nicht saniert, weil die ukrainischen Familien im Moment dort lebten. "Wir sind noch am Anfang", betont der 56-Jährige. Die nächsten 15 Jahre will er das Projekt auf jeden Fall noch begleiten, was danach passiert, ist offen: "Wir denken noch nicht ans Ende".

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