Verkehrsberuhigung:Gemeinde baut nach vielen Jahren illegale Tempo-30-Schilder ab

Müssen Autofahrer sich an ein Limit halten, das nicht rechtens ist? Diese Gewissensfrage hat sich in Seefeld erledigt - dank des Nahverkehrs.

Von Christine Setzwein

Wenn es ums Gewissen geht, ist Rainer Erlinger der Richtige. Seit Jahren beantwortet er im SZ-Magazin jede Woche eine moralische Frage der Leser. Zum Beispiel die: Darf man einem Freund, der seine Frau betrügt, ein Alibi liefern? Oder die: Sollte man eine Tomatenpflanze nach der Ernte weiterhin pflegen, auch wenn man weiß, dass sie den Winter nicht überleben wird?

Seit langer Zeit stellen sich auch Autofahrer in Seefeld eine Gewissensfrage. Sie hat mit der Verkehrsregelung in der Mühlbachstraße in Oberalting zu tun. Viele Hechendorfer und Wörthseer nutzen sie, wenn sie nach Starnberg wollen. Und die Angestellten der Firma 3M. Außerdem hat ein großer Holzfachhandel samt Sägewerk seinen Sitz in der Mühlbachstraße. Vor vielen Jahren hat die Gemeinde Seefeld dort Tempo 30-Schilder aufgestellt, als der Containerverkehr zur Umladestation Unering durch die Straße polterte. Am Beginn der Mühlbachstraße wurde sogar ein Schild mit der Warnung "Radarkontrolle" aufgebaut. Freilich nur zur Besänftigung der Anlieger, denn für eine echte Tempo- 30-Zone fehlte seinerzeit das Wichtigste: Es gab weder eine Rechts-vor-Links-Regelung noch bauliche Veränderungen.

Seitdem also die Gewissensfrage: Muss sich der Autofahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten, obwohl sie nicht rechtens ist? Oder soll er sich moralisch im Sinne der Anlieger verhalten und den Fuß vom Gas nehmen?

Vor zwei Jahren fasste der Gemeinderat einen wegweisenden Beschluss für ganz Oberalting. Abseits der Verkehrsadern dürfe nur noch mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde gefahren werden. Ausgenommen davon sind nur die Herrschinger Straße, die Hauptstraße, die Drößlinger Straße - und die Mühlbachstraße. Doch die Tempo-30-Schilder blieben.

Bis jetzt. Jetzt sind sie weg, einfach so, ohne Vorwarnung. Nur Stangen ohne Schild erinnern an die Gewissensbisse, wenn das Auto mal wieder etwas schneller war. War es nun vielleicht das schlechte Gewissen der Gemeinde, weil sie die Schilder überhaupt aufgestellt hat? Unwahrscheinlich.

Eher ist es wohl der neuen Buslinie 924 geschuldet, die Oberalting im 20-Minuten-Takt mit dem S-Bahnhof Hechendorf verbindet. Immer wieder kamen die Busse mit Verspätung am Bahnhof an, weil sie nur mit 30 durch die Mühlbachstraße zuckeln durften. Und nun? "Der rechtliche Zustand in der Mühlbachstraße ist wiederhergestellt", sagt Rathaus-Geschäftsleiter Fritz Cording - guten Gewissens.

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