Dass der königliche Kammersänger Max Schlosser 1887 in Utting das Haus Nummer 81 gekauft und dort seinen Altersruhesitz eingerichtet hat, daran erinnert sich in der Gemeinde kaum jemand. Zum inzwischen abgerissenen Haus, das heute der Straße "Im Gries" zugeordnet wäre, gehörte auch ein großzügiger Grundbesitz, der sich bis hinunter zum Bahndamm zog. Heute ist längst alles komplett bebaut. Karl Sauter, Nachfahre der Uttinger Müller, wohnt auf dem nahen Anwesen der Fridolin-Sauter-Kunstmühle, und spielte als Kind immer auf dem Grundstück Fußball. "Der Schlosser-Anger war eben und ein wunderbarer Fußballplatz", sagt er anlässlich einer kleinen Einweihungsstunde für den "Max-Schlosser-Weg".
Der Weg führt neben der Bahnlinie und am Mühlbach entlang. Diese Strecke musste einst auch Sauters Großvater nehmen, nachdem Schlosser ihm für 40 Mark ein Durchgangsrecht über sein Grundstück zum Mühlbachwehr abkaufte, wie Sauter anhand einer Notarurkunde herausfand. 1916 stirbt Schlosser in Utting, an seine Tochter Maria Theresia erinnert sich noch eine Nachbarin: "Das Fräulein Schlosser ging ganz elegant mit Hut spazieren."
Kurios sei auch die Sterbeurkunde, die Sauter vorliegt. Dort wurde Max Schlosser als Königlicher Kammersänger a.D. bezeichnet, was der Witwe nicht passte und die Anmerkung a.D. (außer Dienst) im Nachhinein streichen ließ, wie Claus Strobl erzählt, der sich als Hobby-Heimatforscher vorstellt und derzeit an einem Uttinger Straßenverzeichnis arbeitet. 300 Stunden hat er für die 60-seitige Biografie des Kammersängers Schlosser aufgewandt. Vom Leben des "musikalischen Ausnahmetalents aus der Oberpfalz" ist er begeistert.
Wer also war Max Schlosser? Strobl beginnt chronologisch: 1835 wird Jakob Maximilian Theobald Schlosser als drittes von fünf Kindern in Amberg geboren. 1838 zieht die Familie nach Hirschau, 1846 nach Regensburg. Dort besucht er die Königliche Lateinische Schule Regensburg und das Königliche Musikseminar St. Emmeram. Erste Auftritte sind noch als Jakob Schlosser 1852 beim Chor des Stadttheaters Regensburg verzeichnet. Das junge Talent trifft auf seinen Mentor Anton Bömly, Theaterdirektor und Tenor aus Bamberg, der ihm Gesangs- und Schauspielunterricht gibt. "Er folgt Bömly", berichtet Strobl und erzählt von verschiedenen Engagements in Meiningen, Passau, Zürich und Bamberg, wo Schlosser kleinere Bariton- und Tenorbuffo-Rollen singt.
Der neue Max-Schlosser-Weg in Utting.
(Foto: Nila Thiel)Von 1859 bis 1863 wird er am Augsburger Stadttheater engagiert, die Sommerspielzeiten verbringt er in Bad Kissingen. In Augsburg verliebt er sich 1860 in seine spätere Frau Theresia, eine Bäckertochter. Ihr Vater sieht in Schlosser einen Komödianten und verlangt, dass er zuerst ein "anständiges Handwerk" lernen soll. Deshalb geht Schlosser in Regensburg bei einem Bäckermeister in die Lehre und darf 1864 seine Theresia endlich heiraten und in die Bäckerei einsteigen. Im gleichen Jahr wird der ebenfalls musikalische Sohn Anton Max geboren, drei Jahre später die Tochter Maria Theresia, die später Lehrerin wird. Wie Strobl herausfand, hasst es Schlosser, als Bäcker zu arbeiten, denn er fürchtet an der schweren körperlichen Arbeit zugrunde zu gehen. Nachdem die Schwiegereltern und sein Schwager innerhalb von zwei Jahren sterben, ist Schlosser nicht mehr an sein früheres Versprechen gebunden.
Durch frühere Kontakte darf er im März 1868 Richard Wagner vorsingen. Der Komponist engagiert ihn für die Rolle des David für die "Meistersinger von Nürnberg". Die Uraufführung des Werkes folgt am 21. Juni 1868 im Königlichen Hof- und Nationaltheater München. Von September 1868 an ist er dort unter Vertrag, die Rolle seines Lebens wird der "Mime" in "Das Rheingold". Weitere Charakterrollen in Richard Wagners Opern brachten ihm die Bezeichnung "Wagner-Sänger" ein. Eine Bezeichnung, die der Hobby-Historiker Strobl zu einseitig findet, denn nach seinen Recherchen beherrschte der damals hochgelobte Sänger 230 verschiedene Rollen in 202 Stücken von 122 Komponisten und trat neben Bayreuth und München auch in London und Berlin auf.
Auch im Ruhestand hat er noch Auftritte und arbeitet als Gesangslehrer und Regisseur
In München wirkt Schlosser bei mindestens 33 Separat-Vorstellungen für König Ludwig II. mit, der als einziger Gast "meist sehr spät kam und häufig noch zwischendurch dinierte". Kurz bevor Schlosser 1895 in Rente geht, wird er vom "Königlichen Hofopernsänger" zum "Königlichen Kammersänger" erhoben. Aber Schlosser hält wenig vom Ruhestand, hat weiterhin Auftritte und arbeitet als Gesangslehrer und Regisseur. Mit seiner Familie wohnt er abwechselnd auf seinem Landsitz in Utting und in seiner Stadtwohnung in München. Möglicherweise führte ihn sein Hobby -das Angeln - in das Dorf am Ammersee, vermutet Strobl. Damit der Kammersänger in Erinnerung bleibt, hat sich der frühere Gemeinderat Sauter dafür eingesetzt, den bislang namenlos gebliebenen Weg nach ihm zu benennen.