Süddeutsche Zeitung

Christuskirche in Utting:Was vom Gotteshaus noch übrig ist

Die Brandruine der einzigartigen Uttinger Kirche ist abgerissen worden, zu retten waren nur noch Kerzenhalter, Schöpfkellen und das Portal. Und die Protestanten? Haben Asyl bei den Katholiken gefunden.

Von Christian Deussing und Armin Greune, Utting

Die evangelische Kirchengemeinde ist am 25. August auf einen Schlag obdachlos geworden. Beim Brand der Uttinger Christuskirche wurde das weithin einzigartige Holzgebäude samt Inventar zerstört. Inzwischen ist die Ruine abgerissen, zu retten waren nur noch Kerzenhalter, Sammelbüchsen, Schöpfkellen und das Portal. Die Brandursache ist weiter ungeklärt. Nach Kripoangaben ist in dieser Frage noch alles offen. Die Brandmittelspürhunde jedenfalls hätten in der Kirchenruine nicht angeschlagen.

Das Rätsel, warum Ende August das Feuer ausgebrochen war, beschäftigt auch Pfarrerin Alexandra Eberhardt. Mit einer Gewissheit hätte man zumindest ein besseres Gefühl, sagt die Geistliche. Sie spüre den Rückhalt in der Bevölkerung - was sich auch daran zeige, dass schon 81 000 Euro an Spenden eingegangen seien.

Die Planungen für einen Ersatzbau sind gerade erst aufgenommen worden, aber die Gläubigen haben zunächst bei den katholischen Mitchristen eine Unterkunft für die kalte Jahreszeit gefunden: Nachdem die Sonntagsgottesdienste der Protestanten bis dato im Freien vor der Brandruine in der Laibnerstraße abgehalten wurden, finden sie nun im katholischen Pfarrheim an der Schulstraße statt.

Die Premiere sei "toll" verlaufen, sagt Pfarrerin Eberhardt, auch für den Kindergottesdienst hätten sich dort geeignete Räume gefunden. Sie betreut mit ihrem Mann Jochen Eberhardt etwa 4000 evangelische Christen in den Gemeinden Utting, Dießen, Schondorf, Eching und Windach. Überhaupt sei man den katholischen Kirchengemeinden am Ammersee-Westufer "für die herzliche Gastfreundschaft sehr dankbar", sagt die Pfarrerin. Sie konnte bereits eine Beerdigung in der Uttinger Leonhardskapelle sowie je eine Taufe in der romanischen Kirche St. Jakob in Schondorf und in St. Peter und Paul in Eching zelebrieren.

Für größere Feiern wie zum Reformationstag am 31. Oktober wird die protestantische Gemeinde Ammersee-West den Saal im Schondorfer Landheim nutzen. Inzwischen liefen auch alle Angebote zum Gemeindeleben weiter, betont Alexandra Eberhardt. Dazu ziehe man etwa in die Räume in der ehemaligen VR-Bank in der Bahnhofstraße um. Im November soll das Gemeindezentrum an der Christuskirche wieder bezugsfertig sein, dessen Räume beim Feuer in Mitleidenschaft gezogen wurden. Derzeit werden dort am Gebäude die Fassaden und die Dämmung erneuert.

Inzwischen habe man auch mit der Planung für den Wiederaufbau des Gotteshauses begonnen - "aber wir stecken noch ganz in der Orientierungsphase", sagt Alexandra Eberhardt. Es gebe noch sehr viele Informationen einzuholen, der landeskirchliche Architekt Bernhard Heidberg stehe dabei beratend zur Seite. "Der Kirchenvorstand hat verschiedene Optionen überprüft, auch ein Passivgebäude ist angedacht worden," sagt Eberhardt. Doch einschlägige Erfahrungen in einer anderen evangelischen Gemeinde sprächen eher gegen eine derartig massive Wärmedämmung, weil es in der Kirche sonst im Sommer zu heiß werde. Angestrebt werde aber auf jeden Fall eine nachhaltige Bauweise mit geringem Energieverbrauch.

In den Neubau will man die Eingangstür der ausgebrannten Holzknüppelkirche integrieren. Das Portal blieb von den Flammen verschont, es stammt bereits aus dem vor fast 100 Jahren errichteten Bethaus, das mit einem nachträglichen errichteten Glockenturm 1931 zur Kirche wurde. Hoffnungen, dass man noch mehr Teile oder Inventar daraus für den Neubau übernehmen könne, haben sich allerdings zerschlagen. Selbst die drei Glocken, die augenscheinlich nur kleine Sprünge aufweisen, müssen durch neue ersetzt werden. Dies habe gerade ein Sachverständiger festgestellt, sagt Eberhardt.

Mit dem alten Geläut könnte man eventuell nach dem Wiederaufbau der Uttinger Christuskirche einen Erinnerungsplatz an den Brand gestalten. Die Bruchstücke des zerborstenen Taufbeckens wurden gereinigt, ob sie in die neue Kirche eingebaut oder an die Gemeindemitglieder verschenkt werden, sei noch offen. Für die größtenteils beim Brand geschmolzenen Orgelpfeifen ist die Idee aufgetaucht, daraus kleine Kreuze als Anhänger zu formen. Doch wegen des Bleigehalts sollen jetzt aus den Pfeifen Modelle der Christuskirche gegossen werden. Inzwischen hat auch ein Förderverein die Arbeit aufgenommen, der mit solchen und anderen Aktionen für den Wiederaufbau sammeln will.

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SZ vom 15.10.2021/infu
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