Das Gärtnern hat ihm schon immer Spaß gemacht. Die Mutter hatte einen Garten, schon als kleiner Junge hat Korbinian Gilch dort mitgeholfen. Es war also früh klar, dass das auch später etwas sein könnte, womit er mal Geld verdient – Pflanzen aufziehen, pflegen, ernten. Das Problem: In der Schule lief es nicht ganz so gut, was nicht daran lag, dass er nicht wollte. Er konn te einfach nicht. Also machte er seinen Abschluss an einer Förderschule und arbeitete danach in der Herzogsägmühle, wo die Diakonie unter anderem junge Menschen mit Behinderung oder seelischen Erkrankungen betreut.
Mehr als 1,1 Millionen Menschen mit einer Behinderung gehen nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt ist für die meisten von ihnen schwieriger als für Menschen ohne Behinderung. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, veranstaltet die Bundesagentur für Arbeit aus Anlass des internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember eine Aktionswoche. Damit will die Agentur auf die Belange der Betroffenen aufmerksam machen. Und sie will zeigen, welche Wege es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen gibt, zueinanderzufinden. So wie das Korbinian Gilch und Josef Streicher getan haben. Der Junge, der Gärtner werden wollte. Und der Gärtner, der findet: „Jeder soll die Chance haben, dass er was machen darf.“
Nach einem Praktikum in Streichers Betrieb in Utting hat Gilch zunächst seine Werker-Ausbildung zum Gärtner im Zierpflanzenbau gemacht. Etwa 60 dieser „theoriereduzierten Ausbildungen“ gibt es, darunter die zum Maler und Lackierer, weiß Michael Reinhart von der Agentur für Arbeit in Weilheim. Mehr machen, weniger büffeln – diese Lehrgänge richten sich speziell an Menschen wie Gilch, die praktisch sehr gut arbeiten können, aber aus verschiedenen Gründen Probleme mit dem Lernen haben.
Seinen „Werker“ hat Gilch mit einer Eins vor dem Komma abgeschlossen. Jetzt macht er bei Streicher seine Weiterbildung zum Gärtner. „Es macht noch immer Spaß“, sagt der 20-Jährige und grinst. Auch der Chef ist mit seinem Lehrling zufrieden. Klar, sagt Josef Streicher, „es ist schon arbeitsintensiv“. Aber es funktioniert. „Wenn man Korbinian sieht und weiß, es klappt, dann ist es schön zu sehen“, sagt Streicher. Denn es ist ja nicht so, dass der Unternehmer das aus reinster Nächstenliebe macht. Er bekommt ja auch was zurück.
Das sieht auch Michael Reinhart von der Arbeitsagentur so. Er unterstützt und berät sowohl interessierte Jugendliche als auch potenzielle Arbeitgeber. Und stellt fest: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können die Ausbildungsgänge zum Werker die Antwort sein. Zwar müssten die Ausbilder zunächst vielleicht einen höheren Aufwand betreiben, zu dem auch eine Weiterbildung gehört, um Lehrlinge zum Werker ausbilden zu können. Das kann jedoch durchaus eine Investition in die Zukunft sein. Denn wer eine Chance bekommt, die er anderswo vielleicht nicht kriegt, bleibt dem Betrieb verbunden, hängt sich rein und arbeitet zuverlässig. „Das ist schon eine tolle Sache“, sagt Reinhart.
Trotzdem stellt die Agentur für Arbeit immer wieder fest, dass das Interesse an diesen speziellen Ausbildungslehrgängen größer sein könnte – vor allem von der Arbeitgeberseite. „Vorurteile sind definitiv da“, sagt Reinhart. Gleichzeitig wüssten viele gar nichts von dieser Möglichkeit. Auch deshalb nutzen Reinhart und seine Kollegen den Aktionstag für eine Marketingkampagne. Denn sie wissen: Am Ende kann eine Geschichte wie in der Gärtnerei Streicher stehen. Eine Win-win-Situation für Ausbilder und Azubi. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es für alle Beteiligten ja viel sinnvoller, wenn Arbeitgeber ihre Stellen besetzen können und junge Menschen, die arbeiten wollen, einen Job finden. Erst recht jetzt, wo die Zeiten vorbei sind, in denen es auf eine Stelle 100 Bewerbungen gab.
In Utting jedenfalls bereut niemand seine Entscheidung – weder Josef Streicher noch Korbinian Gilch. Der 20-Jährige packt im Alltag in der Gärtnerei mit an, sein Chef hilft dafür vielleicht mal beim Schreiben des Berichtshefts. „Deutsch war schon immer eher schwierig“, sagt Gilch. Dafür hat er andere Fähigkeiten, die in der Gärtnerei gebraucht werden. Aber klar: Er hat ja schon früh angefangen. Damals, im Garten der Mutter.