Utting/Holzhausen:Tiefe Einblicke

Eine Ausstellung im Gasteiger-Haus lenkt den Blick auf die feinen Unterschiede zwischen Reproduktionen und Originalen der Künstlerin und zeigt außerdem, dass Anna Sophie Gasteiger durchaus geschäftstüchtig war

Von Astrid Becker, Utting/Holzhausen

Kleingeistige Gemüter werden bei so einem Anblick wohl eher neidisch. Alle anderen jedoch geraten angesichts dieser Idylle am Westufer des Ammersees regelrecht ins Schwärmen. Die Rede ist vom Gasteiger-Haus und seinem weitläufigen Park, der nicht nur seines alten Baumbestands, sondern auch seiner Wasserläufe und Brücken wegen eine Augenweide ist. Von Sonntag an ist das Anwesen wieder geöffnet - und wartet diesmal mit einer besonderen Ausstellung mit Originalen und Reproduktionen der Malerin Anna Sophie Gasteiger auf.

Es sind nicht allein die aus dem Nachlass der Künstlerin stammenden Motive, die diese Ausstellung so speziell machen. Denn bei ihnen handelt es sich durchweg um Blumen, die vielleicht nicht jedermanns Sache sein dürften. Die Ausstellung selbst lohnt sich aber dennoch selbst für denjenigen, der Stillleben normalerweise alles andere als zu schätzen weiß. Denn in der einstigen Sommerresidenz der Familie Gasteiger in Holzhausen hängen Originale und Reproduktionen von Anna Sophie Gasteiger im direkten Vergleich nebeneinander. Sie stammen meist aus dem Nachlass der Künstlerin und lagerten bis vor kurzem noch im Depot der Bayerischen Seen- und Schlösserverwaltung, die sie von der einzigen Tochter des Paares, Irene Faber, geerbt hat. Einige Werke stammen auch von Privatleuten, die sich an den Museumsreferenten Thorsten Marr gewandt haben, um zu erfahren, was sie denn da eigentlich besitzen: Original oder Reproduktion.

Auf den allerersten Blick erschließt sich das eben nicht sofort. So sind beispielsweise einige echte Gemälde ganz simpel präsentiert, während ihre Reproduktionen sich weitaus edler gerahmt und hinter Glas gesteckt zeigen. Auf den zweiten Blick sieht man beim Original Unebenheiten, die den Pinselstrich verraten, und natürlich die weitaus stärker ausgeprägte Brillanz der Farben, die sich auf einem echten Gemälde besser erhalten als auf einer über die Jahre verblassenden oder verbleichenden Reproduktion. Allein auf diese kleinen, aber bedeutenden Details hingewiesen, erweist sich ein Besuch der Sonderausstellung für den Laien als eine kleine Lehrstunde in Kunstgeschichte. Noch interessanter ist der tiefe Einblick, den die Ausstellung in eine besondere Fähigkeit der Künstlerin gewährt: in ihre Geschäftstüchtigkeit. Schon recht früh verstand sie es, ihr Werk in bare Münze umzusetzen - indem sie ihre Motive, vor allem die Blumenstillleben, Kunstverlagen überließ, die davon Reproduktionen fertigten. Diese ließen sich gut verkaufen und bescherten Gasteiger ein regelmäßiges Einkommen. Zeugnis davon gibt ein in dem Anwesen aufliegender Katalog des Münchner Kunstverlags Franz Hanfstaengl, der Gasteiger-Repros in verschiedenen Größen zum Verkauf anbot. Auch als Kalenderblättchen wurden die Motive der Künstlerin gern gewählt - eine recht willkommene Einnahmequelle für sie, zumal ihr Mann, der Bildhauer Mathias Gasteiger, bereits 1934 starb. Er hatte unter anderem das Brunnenbuberl am Stachus in München geschaffen.

Das Anwesen am Ammersee hatte das Paar noch gemeinsam in den Jahren 1902 bis 1913 erbaut. Noch heute ist es so wie zu ihren Lebzeiten eingerichtet. Nachdem die Tochter das Haus 1984 an den Freistaat vermacht hatte, wurde es aufwendig saniert und zehn Jahre später für die Öffentlichkeit geöffnet. Mehr als 1660 Menschen haben es im vergangenen Jahr besucht, 260 mehr als im Jahr zuvor. Viele kommen aber auch hierher, um zu baden. Denn der eine Teil des Grundstücks dient heute als Strand, während der andere mit seiner recht anmutigen Gestaltung als Ruheoase für Gartenfreunde gedacht ist - oder sogar als Kulisse für Hochzeiten. Immerhin haben sich 2015 mehr als 60 Paare dort das Jawort gegeben. Heuer sind es sogar noch mehr, die im Künstlerhaus Gasteiger heiraten wollen: Laut Standesamt Utting mehr als 90 Paare.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: