Handwerk:Möbel mit Geschichte

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Christoph Hagenmeyer hat Möbel aus altem Holz gebaut, das Teil einer Slipanlage in den Ammersee war. (Foto: Arlet Ulfers)

Bootsbauer Christoph Hagenmeyer hat aus dem alten Holz der werkseigenen Slipanlage Stühle, Tische und Kleiderständer gebaut. Beim Summermarkt verkauft er die Unikate.

Von Renate Greil, Utting

Was macht man mit Lärchen- und Eichenholz, das 110 Jahre lang als Teil einer Slipanlage am Grund des Ammersees gelegen ist? Möbel, findet Christoph Hagenmeyer, Bootsbaumeister und Geschäftsführer der Steinlechner Bootswerft in Utting. Eine kleine Serie mit etwa dreißig bis vierzig Stück bietet er nun zum Verkauf an. Die Stücke sind vielfach besonders. Handgeschmiedete Nägel, die von der jahrhundertelangen Bewegung der Gleise an Umfang deutlich abgenommen haben, dienen jetzt etwa als Haken an einem Kleiderständer, den der Bootsbauer aus einer alten Gleisschwelle dieser Slipanlage gefertigt hat.

In dem zerfurchten Holz kann Hagenmeyer regelrecht lesen. Er sieht beispielsweise wie eine zehn Zentimeter dicke Schraube nun ein Loch auf vierzig Zentimeter Größe ausgeweitet hat, wo ein Stahlseil eine Vertiefung formte, und wie das von Wind und Wellen bewegte Ammerseewasser seine Spuren hinterließ. Hagenmeyer schwärmt von der Patina, die das Holz jetzt hat. Achtzig Meter ist die Gleisanlage lang, die vom tieferen Ufer in die Bootswerft führt. Kaum zählbar sind die Schiffe, die über die Gleise in und aus dem See getragen wurden. Jeden Meter eine Schwelle, das macht achtzig Schwellen, jedes Stück ein Unikat.

Auch selbst gebaute Boote wie 1911 die Marion III, erleben hier ihren Stapellauf. Die Marion III, eine Sonderklasse mit der Segelnummer S68 von Konstrukteur Dr. Charles E. Curry, hilft der Werft zum Erfolg, da sie „schön, schnell und gelungen“ sei, wie die Chronik der Werft vermerkt. Die lange familiengeführte Firma wird 1910 von Georg Steinlechner zusammen mit Josef Pettinger gegründet. Anfang des 19. Jahrhunderts werden Bootsbauer gefragter, denn die ersten Segelclubs am Ammersee entstehen. 

Um die im Gründungsjahr gebaute Gleisanlage zu reparieren, hat der Firmenchef viel Zeit unter Wasser verbracht. Hagenmeyer nimmt eine Schwelle in die Hand und zeigt auf eine kleine Eisenplatte, die eine von der steten Bewegung gelockerte Schraube wieder an Ort und Stelle halten soll. Um diese anzubringen, muss er tauchen. Vor drei Jahren kommt schließlich eine neue Gleisanlage für die Werft, verwendet wird unbehandeltes Eichenholz. So soll die Anlage wieder hundert Jahre halten, hofft Hagenmeyer. Aber schon als er beim Abriss die ersten Stücke in der Hand hält, ist ihm klar: „Das alte Holz ist viel zu schade zum Wegwerfen“.

Die werkseigene Slipanlage ist jetzt mehr als 110 Jahre alt und wurde vor drei Jahren erneuert. (Foto: Arlet Ulfers)
„Das alte Holz ist viel zu schade zum Wegwerfen“, sagt Hagenmeyer. (Foto: Arlet Ulfers)
Laurin Lüps ist Zimmermann. Er hat beim Möbelbau intensiv mitgearbeitet. (Foto: Arlet Ulfers)

Hagenmeyer kommt 1982 als Lehrling in die Bootswerft. Als Bootsbaumeister steigt er 1992 in die Geschäftsführung ein und übernimmt 2005 zusammen mit einem Partner das familiengeführte Unternehmen. Seit zwei Jahren ist der 58-Jährige nun alleiniger Geschäftsführer, die Werft beschäftigt drei bis vier Gesellen und bildet zwei bis drei Azubis aus. „Wir reparieren schöne Boote“, sagt Hagenmeyer zum Hauptgeschäft. Dabei sei Kreativität gefragt. Ein Bootsbauer müsse ein Gefühl für Formen, Rundungen und Dimension entwickeln. „Wir arbeiten noch viel mit der Hand“, sagt er. So wird auch das alte Holz der Gleisanlage vorsichtig mit der Bürste sauber gemacht, um die Oberfläche nicht zu zerstören, und erst einmal eingelagert.

In der kalten Jahreszeit gibt der Bootsbaumeister den Auszubildenden eine Projektarbeit auf. Gerne wird dabei auch der Ammersee-Ruderkahn, der seit 1910 in der Werft gebaut wird, gefertigt. In diesem Jahr wird aber das alte Material der Gleisanlage hervorgeholt und das Projekt „Möbelbau“ beginnt. Nur ein paar schnelle Skizzen zeichnet Hagenmeyer mit dem Bleistift, um die Möbel zu entwerfen. Mehr sei nicht nötig, er sieht sofort die fertige Form. So entstehen Unikate, hauptsächlich gebaut von Luke Ottersbach, Auszubildender im dritten Lehrjahr, und Laurin Lüps, ein gelernter Zimmermann, der nun die Feinheiten des Bootsbaus kennenlernt.

In der Bootswerft Steinlechner werden überwiegend "schöne Boote repariert". (Foto: Arlet Ulfers)

Für einen Tisch wird ein Arbeitstag benötigt, sagt der Bootsbaumeister. Auch die Untergestelle aus Eisen sind selbstgefertigt. Diese kreative Arbeit habe ihm viel Spaß gemacht, erzählt Hagenmeyer. Tische, Stühle, Kleiderständen, Lampen und kleinere Teile sind entstanden. Die größeren Stücke tragen eine Plakette, um die Herkunft zu dokumentieren. Beim Summermarkt, der an den kommenden Wochenenden in Utting im benachbarten Summerpark stattfindet, werden die Unikate verkauft. 

Der Bootsbauer hat noch einiges Material eingelagert, das er verarbeiten kann. In kleinen Mengen kann auch Holz zum Upcycling erworben werden, denn wegwerfen will er immer noch nichts von dem Holz mit Geschichte.

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