Urteil:Ermittler in Eile

Ein Handwerker darf drei Monate kein Auto fahren, weil er Polizisten in Zivil ausbremste

Die Dämmerung setzte ein und er sei immer nervöser geworden, sagt der Angeklagte. Der Handwerker aus der Gemeinde Pöcking musste sich am Donnerstag vor dem Landgericht München II wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten. Der 58-Jährige war am 14. Dezember vergangenen Jahres mit seinem Kastenwagen auf der B 2 Richtung Starnberg unterwegs. Beim Blick in den Rückspiegel waren ihm drei Pkw aufgefallen, deren Fahrer es sehr eilig hatten. Mehrmals sollen sie in halsbrecherischer Manier andere Fahrzeuge überholt und dann knapp wieder eingeschert sein. Am Steuer der drei Pkw saßen Kriminalpolizisten des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord aus Ingolstadt. Sie machten eine sogenannte "mobile Observation". Das konnte der Handwerker nicht wissen, denn die Beamten fuhren in Zivilfahrzeugen ohne Blaulicht und trugen auch keine Uniform.

Dann passierte es: Als der dritte Einsatzwagen auf Höhe der Franz-Heidinger-Straße trotz Überholverbots an ihm vorbeifahren wollte, scherte der Handwerker kurz aus. Der Fahnder am Steuer die Zivilfahrzeugs, ein Škoda Octavia, musste eine Vollbremsung hinlegen, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Der Handwerker fuhr weiter. An der Abzweigung zur Söckinger Straße hielten beide Fahrzeuge kurz darauf nebeneinander. Die Beifahrerin im Škoda ließ die Scheibe herunter und sagte zum verdutzten Handwerker: "Kriminalpolizei, verdeckte Ermittlung".

Knapp zwei Monate nach diesem Vorfall erließ das Amtsgericht Starnberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen den Handwerker wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung. Der 58-Jährige legte Einspruch ein. Es kam zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. Das verurteilte den Handwerker zu einer Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro sowie einem dreimonatigen Fahrverbot. Die Staatsanwaltschaft legte noch am selben Tag Berufung ein. In der Verhandlung vor dem Landgericht München II forderte der Vertreter der Anklage jetzt neben einer Geldstrafe statt eines Fahrverbots sogar den Entzug der Fahrerlaubnis für acht Monate.

Nach Ablauf eines Fahrverbots bekommt man seinen Führerschein ohne weiteres zurück. Anders beim Entzug der Fahrerlaubnis: Ist die vom Gericht verhängte Sperrfrist vorüber, muss ein Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und zur Aushändigung des Führerscheins gestellt werden. Mitunter ist sogar eine Wiederholung der Fahrprüfung fällig.

Der Angeklagte habe die Polizisten maßregeln wollen, befand der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei seinem Plädoyer. "Die Entziehung der Fahrerlaubnis wäre im vorliegenden Fall eine Unverhältnismäßigkeit", erwiderte Rechtsanwalt Thomas Buchner, Verteidiger des Handwerkers. Dann das Urteil: Richterin Sabine Klemt verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft und beließ es bei 1500 Euro Geldstrafe und drei Monaten Fahrverbot. Ausschlaggebend für das Urteil sei, so die Vorsitzende, dass der Angeklagte habe glaubhaft machen können, dass bei ihm keine "charakterliche Ungeeignetheit" zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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