Süddeutsche Zeitung

Urlaub:Verwaistes Rathaus

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Bürgermeisterin John ist nicht da und keiner weiß Bescheid

Von Peter Haacke, Starnberg

Einen legendären Ruf genießen Sitzungen des Starnberger Stadtrates nicht nur aufgrund ihrer außerordentlichen Dauer, sondern auch wegen ihrer besonderen Dramaturgie. Kenner der hiesigen Polit-Szenerie wissen längst: Ganz am Ende der Tagesordnung - meist zu vorgerückter Stunde - wird es unter "Verschiedenes" oft genug am interessantesten. In der jüngsten Sitzung des Gremiums am Montag, die immerhin fünf Stunden dauerte, kam ein Thema zur Sprache, das erneut ein dubioses Licht auf die Verhältnisse in der Stadtverwaltung wirft: Demnach war das Rathaus in der Vorwoche offenbar eine Woche lang komplett führungslos, der Vize-Bürgermeister jedoch ahnungslos.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Gerd Weger (CSU) mit seiner Frage, warum bei der Feierstunde anlässlich des Wechsels an der Spitze des Starnberger Amtsgerichts in der Vorwoche kein offizieller Vertreter der Stadt zugegen war. Der dienstälteste Mandatsträger äußerte höchstes Befremden darüber, dass im Programm zur Feier zwar ein Grußwort der Bürgermeisterin vorgesehen war, dieser Punkt aber gestrichen werden musste. Beim Festakt in der Schlossberghalle, an dem auch Peter Küspert, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshof und des Oberlandesgerichts München, als ranghöchster Vertreter der bayerischen Justiz, Landrat Karl Roth sowie weitere Repräsentanten des öffentlichen Lebens teilnahmen, fehlte John. "Bedauerlicherweise musste Frau John kurzfristig absagen", teilte Thomas Engel, Präsident des Landgerichts II, dazu mit. Doch auch Johns Stellvertreter fehlten.

Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp teilte dem Gremium mit, dass er sich in der Vorwoche zwar zur Erholung ins Allgäu abgemeldet habe, aber stets erreichbar und kurzfristig auch als Ersatz verfügbar gewesen sei. Eine Reaktion auf seine E-Mail war ausgeblieben; er sei weder informiert worden noch habe es Terminabsprachen gegeben, sagte er. John konterte - mit hochrotem Kopf und angestrengt wirkendem Lachen - Rieskamps Aussage mit Hinweis auf "500 Termine pro Jahr", die sie wahrzunehmen habe. Als Grund für Johns Abwesenheit bis 6. Oktober nannte eine Rathaussprecherin "persönliche Gründe": Die Angelegenheit sei aber eine Ausnahme und spiegele "nicht die gängige Praxis wider".

Bei den Stadträten aber schrillten die Alarmglocken, zumal vergangene Woche nicht einmal leitende Beamte der Verwaltung erreichbar gewesen sein sollen. "Ein bisserl erstaunt" zeigte sich Martina Neubauer (Grüne) und warf die Frage auf, wer denn die Führungsverantwortung in Abwesenheit von John bei einem außergewöhnlichen Ereignis übernommen hätte. "Es kann ja durchaus auch mal was passieren", sagte die ehemalige Zweite Bürgermeisterin, die einen "Disput mit Rieskamp" als Ursache für Johns Verhalten vermutet. Sieglinde Loesti (DPF) fand das unmöglich, "es könnte der Teufel los sein". Als Lösung schlug Neubauer den Posten eines Vierten Bürgermeisters vor; eine Idee, mit der sich auch Michael Mignoli (BLS) anfreundete.

John indes schwieg beharrlich zur Sache. "Jaaa, alles gut", bemühte sie sich, die Angelegenheit herunterzuspielen: Dass die Bürgermeisterin mal nicht da ist, sagte sie, sei nicht so relevant, "als wenn der Hausmeister fehlt".

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SZ vom 11.10.2017
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