Süddeutsche Zeitung

Starnberger See und Ammersee:Ignorierte Unwetterwarnungen

Bei Sturm gehen an den Ufern am Starnberger See, Ammersee und Wörthsee orangefarbene Warnleuchten an. Doch vielen Touristen ist unklar, was das bedeutet. Und manche Risikosportler gehen dann erst recht aufs Wasser.

Von Laura Höring

Badegäste treiben noch auf Luftmatratzen übers Wasser, Segler und Stand-up-Paddler gleiten unbeeindruckt dahin, während es vom Himmel schon bedrohlich grollt und starker Wind aufkommt. Am Ufer vieler bayerischer Seen gehen dann orangefarbene Lichter an, die mit 40 oder 90 Blitzen pro Minute auf das umschlagende Wetter aufmerksam machen sollen. Auch drei der Gewässer im Fünfseenland verfügen über ein solches Sturmwarnsystem. Acht Leuchten gibt es am Starnberger See, sieben am Ammersee und zwei am Wörthsee. Sie sind zuletzt bei einem Sturm am 26. Juli und bei Starkwind am 28. Juli ausgelöst worden. Immer wieder wird das Blitzen aber ignoriert, nicht ernst genommen oder überhaupt nicht verstanden.

Laut Ralf Purkart, dem Brand- und Katastrophenschutzbeauftragten im Landratsamt Starnberg, liegt das unter anderem daran, dass Touristen nicht mit den Blitzlichtern vertraut sind. "Das Sturmwarnsystem ist natürlich vor allem denjenigen bekannt, die von hier kommen. Norddeutschen beispielsweise sagt das Blinken oft erst mal gar nichts", sagt er.

Das bestätigt auch Christian Schlosser, der als Einsatzleiter der operativen Wasserrettung des BRK-Kreisverbands Starnberg oft selbst ausrückt: "Wir haben häufig Probleme mit Hobby-Kapitänen, die sich ein SUP, Surfbrett oder Boot mieten. Das sind oft Touristen, die die Wetterlage falsch einschätzen." Laut Purkart ist das Landratsamt bereits auf die Problematik aufmerksam gemacht worden. Die Konsequenz: An den Masten mit den Sturmleuchten, die sich oft in Häfen oder an Uferpromenaden finden, seien Schilder mit Erklärungen angebracht worden.

Am Ammersee hat das zuständige Landratsamt Landsberg zusätzlich "Tausende von Aufklebern an die Verantwortlichen in den Gemeinden und an zentrale Anlaufstellen wie Bootsverleihe und Segelschulen" ausgegeben, sagt Günter Drexler, der dort wie Purkart in Starnberg für den Brand- und Katastrophenschutz zuständig ist. Das Problem aus seiner Sicht: "Viele Surfer nehmen die ausgelösten Sturmleuchten als Anlass, um auf den See zu gehen. Da kommt es auch mal vor, dass die Leute sich überschätzen."

Das Sturmwarnsystem hat zwei Stufen: Die Starkwindwarnung mit 40 Blitzen pro Minute wird bei einer Windstärke von sechs bis sieben (39 bis 61 Stundenkilometer) ausgelöst und soll auf Gefahr aufmerksam machen. "Wassersportler und Badegäste sind dann dazu angehalten, die Wetterentwicklung sorgfältig zu verfolgen und ihr Verhalten anzupassen", sagt Drexler. Die Sturmwarnung mit 90 Blitzen pro Minute wird ab Windstärke acht (62 bis 74 Stundenkilometer) ausgelöst. "Ab dann sollte man schon Vorsichtsmaßnahmen treffen und das Ufer aufsuchen, beziehungsweise nach windgeschützten Stellen Ausschau halten", so der Starnberger Brand- und Katastrophenschutzbeauftragte. "Die Warnung ist aber nicht bindend. Niemand ist verpflichtet, den See dann auch tatsächlich zu verlassen."

Immer weniger Sirenen

Im Landkreis Starnberg gibt es 44 Feuerwehrsirenen, doch nur sechs von ihnen könnten auch mit einem speziellen Signalton in Katastrophenfällen wie bei Hochwasser die Bevölkerung warnen. Diese sechs Anlagen mit doppelter Funktion befinden sich ausschließlich in der Gemeinde Herrsching - unter anderem auf dem Dach des Gemeindehauses im Ortsteil Breitbrunn. Er sei froh, über diese Sirenen noch zu verfügen, sagt Herrschings Bürgermeister Christian Schiller. Sie seien zum Beispiel auch bei einem Ausfall des Handynetzes sehr hilfreich.

Bis 1985 hatte es im Fünfseenland noch 165 Sirenen gegeben, die vom Bund betrieben und finanziert wurden und auch einen Alarm im Verteidigungsfall auslösen sollten. Doch mit dem Ende des Kalten Krieges zog sich der Bund seit 1989 aus der Förderung der Sirenen zurück. Er gab in den Neunzigerjahren auch das Zivilschutz-Warnamt X bei Obertraubing auf. Seither rüsteten die Kommunen viele Sirenen ab, um Kosten zu sparen. Das bedauert Kreisbrandrat Peter Bauch, denn nun habe das Thema Alarmierung die Gemeinden wieder eingeholt. Bauch will, dass das Warnkonzept im Landkreis erweitert wird, auch mit mobilen Lautsprechern auf Feuerwehr-autos. Einen akuten Bedarf, weitere Sirenen zu installieren, sieht Landrat Stefan Frey aber nicht. Man müsse prüfen, wo mögliche Standorte sinnvoll seien. deu

Die Sturmwarnung ist zwischen April und Ende Oktober aktiv, der Ablauf dahinter ein Zusammenspiel verschiedener Behörden und Stellen. Grundsätzlich zuständig für den Betrieb sind die Kreisverwaltungsbehörden und die Gemeinden. Die Entscheidung, ob es blitzt, liegt allerdings bei der Regionalen Wetterberatung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in München. Im Landkreis sind mehrere Windmessanlagen aufgestellt, die ihre Daten an den DWD schicken.

Ist eine bestimmte Windstärke erreicht, wird die integrierte Leitstelle in Fürstenfeldbruck kontaktiert. Diese löst dann über Funk in den betroffenen Gebieten die orangefarbenen Leuchten aus. "Das System gibt es schon sehr lange, so etwa seit den Sechzigerjahren", erklärt Drexler, "es ist auch nicht geplant, das zu digitalisieren, also komplett auf eine Warnung über das Smartphone umzustellen." Die Signale seien ja vor allem für die gedacht, die auf dem See unterwegs sind und oft kein Handy dabeihaben.

Die Funktion der Sturmleuchten überwacht auf dem Starnberger See eine sogenannte Sturmwarnkommission. Sie setzt sich aus einer Gruppe von Bootsverleihern, Fischern und Campingplatzbetreibern zusammen. Einer von ihnen ist Fischer Johann Strobl aus Münsing: "Wir überprüfen in erster Linie, ob alles funktioniert. Manchmal lösen die Lampen trotz Starkwind nicht aus oder blinken weiter, wenn die Sturmwarnung schon wieder vorbei ist. Dann informieren wir das Landratsamt."

Auf dem Ammersee gibt es eine solche Kommission nicht, dort vertraut man auf aufmerksame Beobachter. Mit dem Betrieb der Anlagen gibt es laut den Katastrophenschutzbeauftragten kaum Probleme. "Ab und zu brennt mal ein Birnchen durch oder wir haben Probleme durch einen Stromausfall oder mit der Funkverbindung", erklärt Purkart und lacht: "Wenn, dann stören sich die Leute an der Farbe der Leuchten, weil wir seit einigen Jahren vermehrt auf LED umstellen."

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SZ vom 31.07.2021
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