Umstrittene Pläne:Hoffnung für Lindenallee

Ein zweites Gutachten attestiert den alten Bäumen bei Seeshaupt kein einziges Gefahrensymptom und spricht sich für ihren Erhalt aus. Baumfäller haben derzeit auch in Dießen, Tutzing und Seefeld Hochsaison

Von Manuela Warkocz, Seeshaupt

Professionelle Baumfäller kommen im Februar kaum aus ihren Arbeitsklamotten. Vor allem private Baufirmen sind erpicht, noch schnell Bäume auf künftigen Baugrundstücken abholzen zu lassen, bevor ab März wegen der Vogelbrutzeit ein Stopp gilt (siehe Kasten). Aber auch viele Gemeinden erteilen Fäll-Aufträge: Sie sorgen sich um ihre Verkehrssicherungspflicht. Deshalb ließ Tutzing vor wenigen Tagen zwei alte Buchen am Schluchtweg nahe dem Kino fällen. In Dießen ging man an diesem Dienstag daran, aus Sicherheitsgründen zwei Bäume der Kastanienallee entlang der Straße Am Kirchsteig entfernen zu lassen. Und Seefeld kündigt an, dass am Samstag im Ortsteil Hechendorf in der Seestraße drei Bäume gefällt werden - laut Gemeinde zwei "tote Lärchen und eine 60 bis 80 Jahre alte Buche mit Baumpilz".

Seeshaupt, Lindenallee

Erk Brudi (li.) und Daniel Esche von der Gautinger Firma Treeconsult untersuchten am Montag die Lindenallee in Seeshaupt mit einer Hebebühne. Sie sehen gute Erhaltungschancen für die 80 bis 130 Jahre alte Bäume.

(Foto: Georgine Treybal)

Auch in der Lindenallee zwischen Seeshaupt und dem Schloss Seeseiten hatte ein Gutachter 28 Bäume als so morsch eingestuft, dass sie weg sollten. Am Dienstag haben Bund Naturschutz und Privatleute ein Gegengutachten vorgelegt: Das sieht keine akute Gefahr und empfiehlt ausdrücklich den Erhalt der etwa 130 Jahre alten Allee. Das lässt alle hoffen, die sich für die mächtigen Linden einsetzen, die im Sommer eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen darstellen . Nachdem der Seeshaupter Bürgermeister Michael Bernwieser bekannt gegeben hatte, dass die Mehrzahl der Bäume gemäß einer Expertise des Tölzer Forstsachverständigen Gerhard Schmutz weg sollten, rührte sich Widerstand. Der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Helmut Hermann, sowie Klaus und Christina Voormann vom "Bernrieder Vorsprung", die in der Nachbargemeinde viel Erfahrung mit historischen Bäumen gesammelt haben, ließen ein zweites Gutachten anfertigen. Die Experten der Gautinger Firma "Treeconsult Brudi und Partner" untersuchten 29 Bäume der Allee: am 13. Februar vom Boden aus, am 25. Februar mit einer Hebebühne. Sie vermaßen die Schadstellen mit Lasertechnik und fertigten 225 Fotos an. Der SZ liegen die Einzelgutachten vor.

Gesetzliche Regelungen

In der Zeit vom 1. März bis 30. September ist es nach gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG § 39, Absatz 5, Nummer 2) verboten, Bäume, "die außerhalb gärtnerisch genutzter Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen". Dieses grundsätzliche Verbot gilt allerdings in etlichen Fällen nicht, etwa für schonende Form- und Pflegeschnitte, wenn das Verbot zu unzumutbaren Belastungen im Einzelfall führen würde, wenn die Sicherheit von öffentlichen Verkehrswegen oder Gewässern gewährleistet werden muss oder bei Gefahr in Verzug.

Bundesweit gilt, dass vor allen Fällungen und Schnittmaßnahmen geprüft werden muss, ob "artenschutzrechtliche Verbotstatbestände" berührt werden. Das heißt, Gehölze müssen auf "Lebensraumstrukturen" wie Baumhöhlen und -spalten sowie starkes Totholz untersucht werden. Im Landkreis Weilheim-Schongau gilt darüber hinaus in den Gemeinden Seeshaupt und Huglfing eine Baumschutzverordnung für besiedelte Gebiete. manu

"Es wurde nicht ein einziges konkretes Gefahrensymptom in den Baumkronen gefunden, das aus meiner Sicht eine vollständige Entnahme eines ganzen Baumes erfordern würde - weder kurzfristig noch mittelfristig", fasst Firmeninhaber Erk Brudi zusammen. Er rät dazu, an 16 Bäumen Totäste über dem Verkehrsraum zu entfernen und an vier Bäumen die Kronen zu sichern. Grundsätzlich sei zu überlegen, ob die Bäume künftig durch regelmäßige fachgerechte Rückschnitte in ihrem Höhenwachstum kontrolliert werden sollten. Einzelne Bäume aus wirtschaftlichen Gründen zu entnehmen, will der Gutachter gar nicht ausschließen - keinesfalls aber die gesamte Allee. Sie "hat eine wichtige landschaftsprägende Funktion und wird, sofern sie belassen wird, in den nächsten Jahrzehnten lokal einen wichtigen Beitrag Erhaltung der Biodiversität beitragen." Diese Stellungnahme ging am Dienstag dem Landratsamt Weilheim-Schongau zu. Die Behörde hat Fällungen im Landschaftsschutzgebiet "Ufergebiet am Starnberger See" zu beurteilen. Man werde beide Gutachten abwägen und in den nächsten Tagen entscheiden, heißt es.

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