Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Entscheidung:Starnberg schafft Schulbusse ab

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Kinder aus Hadorf, Landstetten, Perchting und dem Waldspielplatz müssen von 2016 an mit Linienbussen zur Schule fahren. Eltern bringen in der Sitzung noch einmal ihre Bedenken gegen die Streichung vor

Von Peter Haacke, Starnberg

Grund- und Mittelschüler aus den Starnberger Ortsteilen Hadorf, Landstetten, Perchting und Waldspielplatz werden sich von 2016 an umstellen müssen: Der Stadtrat hat am Montagabend entschieden, die Schulbusse abzuschaffen und die Schülerbeförderung in den ÖPNV zu integrieren. 2017 sollen dann die Ortsteile Hanfeld, Leutstetten, Petersbrunn und Starnberger Wiese folgen. Die Entscheidung fiel nach rund zweieinhalb Stunden mit Vortrag und ausufernder Debatte dank Stimmenmehrheit von BMS, WPS, FDP und Bürgerliste, die den Beschlussvorschlag von Bürgermeisterin Eva John (BMS) und der Stadtverwaltung billigten. Ein Alternativvorschlag der CSU, der im Wesentlichen die Beibehaltung des bisher reibungslos funktionierenden Schulbussystems und eine Wahlfreiheit der Beförderungsmöglichkeit vorsah, fiel durch.

Seit Bekanntwerden der Pläne, die Schulbuslinien zu streichen, hatte sich in den betroffenen Ortsteilen erheblicher Widerstand geregt. Die Elterninitiative "Starnberg pro Schulbus" hatte in den vergangenen Monaten mit verschiedenen Aktionen auf die Problematik aufmerksam gemacht, zuletzt waren mehr als 1300 Unterschriften im Büro der Bürgermeisterin gelandet. Unter den rund 70 Zuhörern waren am Montag viele Mütter nebst 20 Kindern, um ihrer Forderung nach Beibehaltung des bestehenden Systems Nachdruck zu verleihen: Mit einer Charme-Offensive drückten sie einigen Stadträten, die durch ein Spalier in den Sitzungssaal gehen musten, selbst gebastelte Blumen in die Hand.

Christian Ehrlich, Sprecher der Elterninitiative, rückte eingangs der Sitzung Sicherheitsbedenken in den Vordergrund, wenn etwa die Kleinsten, die noch nicht lesen können, selbständig mit einem MVV-Bus zur Schule fahren sollen. Man habe bei Neuplanung der MVV-Linien die Schülerbelange vergessen. Neben Sicherheitsaspekten und Risiken kritisierte er: "Unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen, an denen man etwas ausprobiert in der Hoffnung, dass nichts passiert."

Bürgermeisterin John hielt dagegen: Gemeinsam mit Verwaltungsmitarbeiterin Ute Mayer, zuständig für Jugend, Schulen und Soziales, präsentierte sie detailliert Schülerzahlen, Haltestellen, Abfahrtzeiten, Kosten und gesetzliche Grundlagen - eine etwas langatmige Vorstellung, die insbesondere die Sorgfalt der Verwaltung dokumentieren sollte. "Wir haben die Prüfung bei diesem komplexen Thema sehr genau durchgeführt", sagte John und sah in der Umstellung vor allem Vorteile. Demnach werden an Grund- und Mittelschulen derzeit 1037 Schüler unterrichtet, davon seien lediglich 127 zur Schülerbeförderung berechtigt; die übrigen seien "Fußwegkinder", die teils zu Fuß, teils mit dem Radl, aber auch mit dem "Eltern-Taxi" zur Schule gelangen. Die Gesamtkosten der Schülerbeförderung bezifferte John auf etwa 260 000 Euro pro Jahr; 65 Prozent davon bezuschusst der Freistaat. 240 000 Euro entfallen auf private Busunternehmen, 20 000 Euro auf den MVV. Die Kosten pro befördertem Schüler betragen 1575 Euro. Bei einer Umstellung auf MVV dagegen, so John, sinke der Betrag auf etwa 400 Euro.

Das provozierte den Widerspruch von Stefan Frey (CSU). Er widerlegte die Argumente der Verwaltung und verwies auf seinen Antrag, der auch von UWG, Grünen und SPD unterstützt wurde. "Es ist keine Frage des Geldes", sagte Frey. Die Sicherheit der Kinder stehe an erster Stelle. Die Umstellung habe eine Zunahme von Fahrten mit Privat-Pkw zur Folge. Patrick Janik (UWG) konstatierte eine "systematisch falsche Herangehensweise ans Thema", Martina Neubauer (Grüne) plädierte für einen "zweigleisigen Übergang". WPS-Chef Günther Picker indes wandte sich an die Mütter, die zwar schöne Blumen gebastelt hätten, beim Thema jedoch ausgerechnet die CSU vor ihren Karren gespannt hätten.

Die Schülerbeförderung wird von 2016 an über die Buslinien 903, 951 und 982 erfolgen. Die Sicherheit der Kinder gewährleisten sollen "geeignetes Personal in ausreichender Stärke" in Schulen, auf dem Schulweg, an Haltestellen und anfangs auch in den MVV-Bussen. Die Kosten dafür blieben ungenannt. Einvernehmen bestand zum Umbau der Bushaltestelle in Hadorf, zur Erstattung von Kosten (auf Antrag) für Grund- und Mittelschüler, die nicht beförderungspflichtig sind, den MVV aber benutzen wollen, und in einem Dokumentationsbericht im Juli 2016.

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SZ vom 30.09.2015
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