Umstrittene Bescheide:Kleine Aufträge vom Abwasserverband

Umstrittene Bescheide: "Uns bleibt nichts anderes übrig": Geschäftsführer Norbert Impelmann beruft sich bei der Zustellung von Gebührenbescheiden auf die Satzung des Abwasserverbands Starnberger See.

"Uns bleibt nichts anderes übrig": Geschäftsführer Norbert Impelmann beruft sich bei der Zustellung von Gebührenbescheiden auf die Satzung des Abwasserverbands Starnberger See.

(Foto: Arlet Ulfers)

Organisation weist Kunden an, Gebühren auch für Miteigentümer zu zahlen - und sich das Geld von ihnen zurückzuholen

Von Peter Haacke, Starnberg

Wenn es nach dem eigenen Werbeslogan geht, ist der Abwasserverband Starnberger See "unverzichtbar für die Lebensqualität am See". Doch das sehen einige Kunden des Unternehmens, das in fast allen Gemeinden rund um den See die Verantwortung fürs Abwasser übernommen hat, ganz anders. Der Grund: Offenbar willkürlich verschickt der Verband Gebührenbescheide an Haus- und Wohnungseigentümer, die nicht allein ihren Anteil, sondern auch die Gebühren der Miteigentümer zahlen sollen.

Im Merkblatt des Verbands heißt es dazu: "Sie wurden als Ansprechpartner der Eigentümergesellschaft ausgewählt und der Flächenfeststellungsbescheid wurde nur an Sie versandt." Der Betroffene sei damit für die Zahlung verantwortlich. Er möge die übrigen Miteigentümer informieren - und soll sich dann das Geld bei den anderen zurückholen oder dem Verband ein unterschriebenes Formblatt mit allen Unterschriften der Miteigentümer übermitteln.

Einer Starnberger Bürgerin geht das zu weit. Sie machte ihrem Unmut am Montag im Stadtrat Luft: Kurz vor Weihnachten erhielt sie einen Gebührenbescheid des Verbands. Rückwirkend für die Jahre 2014 bis 2018 solle sie insgesamt 256,24 Euro für die Hauseigentümergemeinschaft - also auch für fünf Miteigentümer - zahlen. Sie legte Widerspruch ein, weil der Bescheid über Niederschlagswasser, das angeblich im Abwasserkanal landet, fehlerhaft sei. Der Verband forderte sie daraufhin unter Fristsetzung bis Ende Januar auf, Fotos als Nachweis zu übersenden, dass "es sich nicht um vollversiegelte oder teilversiegelte Flächen handelt und kein Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung besteht". Zu dieser Zeit versank Starnberg aber im Schnee. Gleichwohl buchte der Verband die fällige Summe ab.

Die Angelegenheit ist kein Einzelfall. Der Pöckinger Rechtsanwalt Holger Haß etwa klagt im Auftrag seiner Frau, seines Sohnes und eines Nachbarn am Verwaltungsgericht München gegen einen ähnlich lautenden Bescheid des Abwasserverbands. Der Jurist hegt zum einen grundsätzliche Zweifel an den Bemessungsgrundlagen, denn die Daten zur Ermittlung der Grundstücksgröße seien per GPS ermittelt worden, dass zuweilen fehlerhaft ist. Zum anderen entbehre die "gesamtschuldnerische Haftung", bei der ein Betroffener bei anderen Grundstückseigentümern Geld eintreiben soll, einer Rechtsgrundlage. Überdies hätten sich die konkreten Eigentumsverhältnisse in Pöcking grundlegend verändert. Die Verhandlung findet am 28. März statt. Haß bezeichnet den Ausgang des Verfahrens als offen, zeigt aber kein Verständnis dafür, dass Betroffene die Rolle eines Inkassobüros übernehmen.

Der Abwasserverband indes beruft sich auf seine Satzung. "Uns bleibt nichts anderes übrig", sagte Geschäftsleiter Norbert Impelmann. Oft wisse man gar nicht, wer der Eigentümer ist, und schreibe daher eine Person an. Vor allem Gemeinschaftsanlagen machten mangels Ansprechpartner oft viel Arbeit. Gleichwohl stehe es jedem frei, Widerspruch gegen Bescheide einzulegen - insbesondere auch dann, wenn die betroffene Person körperlich oder geistig nicht in der Lage ist, die erforderlichen Daten zu beschaffen. Impelmann: "Wir haben nichts falsch gemacht."

Zumindest der Fall der Starnberger Bürgerin hat sich wohl erledigt: Der zuletzt ausgesetzte Mahnbescheid wurde am Dienstag zurückgezogen.

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