Wann, wenn nicht jetzt! Pünktlich zu Ostern hat Heidemarie Vogt ihre Schmuckeiersammlung an die Gemeinde Gauting verschenkt. Die 1500 Objekte, die sie in mehr als 30 Jahren zusammen mit ihrem Mann, dem Gautinger Malermeister Paul Vogt, zusammengetragen hat, haben im Pfarrhof in Unterbrunn ihr neues Domizil gefunden.
"Wenn die Gemeinde die Sammlung nicht genommen hätte, hätte ich die Exponate nach und nach verkauft", sagt Vogt beim Pressegespräch anlässlich der Vorstellung der exquisiten Sammlung. In einem etwa zehn Quadratmeter großen Nebenraum im denkmalgeschützten Pfarrhof hat die Gautinger Sammlerin ihre eigens angefertigten beleuchteten Vitrinen aufgestellt und die Schmuckeier eng einsortiert. In der vorösterlichen Zeit kann die Ausstellung unter Führung von Heidemarie Vogt besichtigt werden.
"Ich bin überwältigt, total fasziniert, ich werde mir die Sammlung mit meiner Familie in aller Ruhe ansehen", sagt Vizebürgermeister Jürgen Sklarek. Eigentlich neigt der Lungenchirurg nicht zu solch enthusiastischen Ausbrüchen. Doch die Einzigartigkeit der Objekte in den hohen Glasschränken ist irritierend, man weiß zunächst nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Manche Eier wirken wie aus Spitze geklöppelt, bestickt, behäkelt, aus Papiercollagen und in Aquarelltechnik bemalt, mit Strohsplittern beklebt, Muster sind ausgekratzt, eingefräst, appliziert, einige wirken wie aus Porzellan gebrannt, andere wie in Goldfäden gepackt. Einige sind sogenannte Bandleier, aus denen kleine Spruchbändchen herausgerollt werden, einige sind "eingerichtet", ähneln Puppenstuben und Miniaturszenen, in einem Ei ist eine richtige Schmiede eingerichtet.
Begonnen hat alles Mitte der 1980er Jahre mit dem Besuch einer Spanschachtel-Ausstellung, erzählt Heidemarie Vogt. Ein Schweizer Künstler hatte ein kunstvoll gestaltetes Ei dabei. "Mein Mann war hin und weg. Er musste das Ei haben und hat es sofort gekauft", berichtet sie und zeigt auf Ei Numero Eins. Es steht in der mittleren Glasvitrine, "das Dritte von rechts auf dem mittleren Regalbrett". Auf graugrünem Hintergrund bilden dünne Goldfäden filigrane Blumenornamente. "Das war der Start für unsere Sammlung. Mein Mann wurde richtig süchtig nach den hoch empfindlichen Kunstobjekten".
Gentleman, Tänzerin und Nonne - in der Sammlung von Heidemarie Vogt gibt es nichts, was es nicht gibt.
Begeistert zeigte sich Vizebürgermeister Jürgen Sklarek, der die Sammlung stellvertretend für die Gemeinde Gauting annimmt.
Mehr als 30 Jahre hat Vogt mit ihrem Mann gesammelt, das Ergebnis: mehr als 1500 Objekte.
Geradezu magisch erscheinen die Miniatur-Zeichnungen auf den Eierschalen.
Auch Moriskentänzer mit Goldanteil gehören zur Sammlung.
Aus Eierschalen kann man sogar Marionetten machen. Zum Spielen sind sie jedoch zu zerbrechlich.
Hoch empfindlich: ein Fabergé-Ei mit Porzellan, Glas und Gold.
Denn anders als bei den Fabergé-Eiern - dem Inbegriff wertvoller Schmuckeier - die aus Holz oder aus kostbareren Materialien wie Porzellan, Glas, Gold oder anderen Metallen hergestellt wurden, sind die Eierskulpturen von Paul Vogt aus den Schalen von richtigen Eiern. "Wir hatten immer eine Lupe dabei. Mein Mann hat jedes Ei genau betrachtet, um ja nicht den kleinsten Haarriss zu übersehen", erzählt Vogt.
Neben normalen Hühnereiern werden auch die Gelege von Gänsen, Enten, Wachteln, Straußen, Emus und sogar Schildkröten bearbeitet, selbst die kleinen leicht zerbrechlichen von Wellensittichen und Finken. "Mein Mann war so begeistert, dass er fortan zu sämtlichen Eierbörsen und Märkten in ganz Europa gereist ist. Mit der Zeit haben wir viele Künstler kennengelernt. Sie kommen aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Österreich, Ungarn, dem ehemaligen Jugoslawien, Japan, China, Russland. Und mein Mann hat dann auch selbst mit dem Gestalten von Eiern angefangen", erzählt Vogt. Er habe schon immer eine Affinität zur Kunst gehabt. Sein Vater hatte nicht nur einen florierenden Anstreicherbetrieb in Gauting, er war auch als Kunstmaler Vogt-Vilseck bekannt. Die Gemeinde besitzt einige seiner Bilder. Ihre Schwiegermutter sei ebenfalls künstlerisch interessiert gewesen, erzählt Frau Vogt weiter. Sie habe sehr schön gestickt und wunderschöne Handarbeiten gemacht. Und sie habe den Besuch der Spanschachtel-Ausstellung empfohlen.
Doch schon vor dem Aha-Erlebnis habe ihr Mann verschiedene kunsthandwerkliche Techniken ausprobiert, zum Beispiel Mohnkapseln ausgefräst als Christbaumschmuck, kleine Holzfiguren geschnitzt, Spanschachteln bemalt. Doch erst im Eiergestalten habe er seine wahre Leidenschaft gefunden. Seine Spezialität waren gefräste Eier. Um die Schalen zu schonen, habe er einen Zahnarztbohrer benutzt, bis zu 40 Stunden habe er gebraucht. Mehr als 40 Jahre führte er den Betrieb seiner Eltern weiter, bis er ihn vor etwa fünf Jahren auslaufen ließ. Er starb vor eineinhalb Jahren, mit 72 Jahren.
Zu jedem Ei kann Heidemarie Vogt eine kleine Geschichte erzählen. Und sie erzählt gern. Sie zeigt auf ein lilafarbenes Dornröschenschloss und mehrere kleinere Eier mit aufgemalten Märchenszenen. Man könne die ganze Serie wie russische Matroschkas ineinander stecken, erklärt sie. Eine große Vorliebe hat Paul Vogt für Miniatur-Bauernschränke aus Enteneiern, deren bemalte Türen man öffnen kann. Seine letzte Arbeit ist ein Straußenei mit 24 Türchen. Viele der Eier ihres Mannes hat sie vorerst behalten, auch einige Raritäten von befreundeten Künstlern. "Es sind noch etwa 200 Stück. Die bekommt die Gemeinde nach meinem Tod", sagt sie und lacht ein wenig verhalten.
"Und das ist unsere blaue Mauritius", sagt sie und holt ein buntes Gänseei aus der Vitrine. Bei genauem Hinsehen entpuppt es sich als Mini-Karussell. Eine Schweizer Künstlerin hat es gebaut, man kann es aufziehen und es spielt den Frühlingswalzer. Die Pferdchen laufen jedoch rückwärts. Kleine Fehler wie dieser machen das Schmuckei so wertvoll. Besonders fein sind die kleinen Wachteleier mit den akribisch gezeichneten Porträts von hübschen adeligen Damen des Schweizer Miniaturmalers Hans-Ruedi Stüber. Effektvoll ist auch die Reihe von Moriskentänzern und Marionetten, die man richtig bespielen kann. Oder jene mit chinesischen und japanischen Motiven. Es gibt auch eine wunderschöne farbenfrohe Galerie mit biblischen Szenen, ein Unikat in Gold und Blau mit dem Gautinger Wappen und ein transparent wirkendes, aufgefrästes Ei mit einer Schwimmbadszene. Im 19. Jahrhundert waren aufwendig gestaltete Eier Geschenke unter den Reichen. Und es gab bereits Überraschungseier für brave Kinder, die beim Zahnarzt still hielten: In aufwendig gestalteten Eiern aus Metall waren bemalte Zuckereier versteckt.
Geöffnet ist die Ausstellung am Freitag und Samstag, 7. und 8. April, jeweils von 14 bis 17 Uhr, Palmsonntag, 9. April, zum Ostermarkt in Unterbrunn von 11.30 bis 17 Uhr, Karfreitag, 14. April, von 16.30 bis 18 Uhr und Ostersonntag, 16. April, von 13 bis 16 Uhr.