Süddeutsche Zeitung

Tutzing: Viktor Worms:Immer auf Sendung

Ihn kennt man noch aus seiner Zeit als Moderator der ZDF-Hitparade, dann ist er aber von den Bildschirmen verschwunden: Viktor Worms arbeitet heute als Produzent und Ideengeber im Hintergrund.

Gerhard Fischer

Frauen haben manchmal doch mehr Ahnung vom Fußball als Männer. Viktor Worms etwa saß an diesem Abend im April 1996 im riesigen Stadion Camp Nou direkt unter dem Dach. Die Spieler des FC Barcelona und des FC Bayern waren kaum zu erkennen, ihre Köpfe waren winzige Punkte und die Rückennummern schmale Striche. Worms brüllte ins Mikrofon, schrie an gegen fast 100000 Zuschauer. Er genoss es, denn er machte, was er liebte: Er übertrug ein Fußballspiel im Radio.

In der Halbzeit telefonierte er mit seiner Redaktion in München - mit Kathrin Müller-Hohenstein. KMH, wie man sie nennt, hatte das Uefa-Pokal-Halbfinale bei Premiere verfolgt, sie sagte: "Viktor, Du machst das wunderbar! Aber bist du sicher, dass wir das gleiche Spiel sehen?" Worms hatte oft Mehmet Scholl mit Ciriaco Sforza verwechselt, weil er weit entfernt vom Spielfeld saß.

Worms war damals, Mitte der neunziger Jahre, Programmdirektor bei Antenne Bayern, manchmal teilte er sich selbst zu Fußballspielen ein. Müller-Hohenstein war damals seine Mitarbeiterin, heute moderiert sie das ZDF-Sportstudio.

Viktor Worms war mal ein bekanntes Gesicht in Deutschland, von 1985 bis 1990 moderierte er die Hitparade. "Wir hatten zwischen zehn und zwölf Millionen Zuschauer", sagt er. Erstens gab es damals kein Privatfernsehen, jedenfalls kein konkurrenzfähiges. Zweitens konnten die Menschen noch darauf warten, dass ihnen die Musik-Hits bei der Hitparade oder bei Formel 1 serviert wurden. Heute werden die Lieder einfach heruntergeladen.

Viktor Worms war damals ein schmaler junger Kerl mit halblangen Haaren und ganz viel guter Laune. Ein professioneller Sonnyboy, bei dem man nicht nur ahnte, dass ihm allerlei Blödsinn im Kopf herumgeisterte; man traute ihm auch eine größere Fernsehkarriere zu. Doch Worms verschwand vom Bildschirm. Warum? Und was machte er seitdem?

Mittlerweile ist Viktor Worms 51 Jahre alt und hat ein Büro in Tutzing am Starnberger See. Er hat immer noch die gleiche, etwas zu hohe Stimme, er ist noch schlank, die Haare sind etwas kürzer und ein bisschen grau, aber die Frisur ist immer noch jugendlich. Sein Büro ist im gleichen Haus untergebracht wie die Tabaluga-Kinderstiftung von Peter Maffay. "Peter und ich kennen uns seit 20 Jahren - als er mich vor sechs oder sieben Jahren fragte, ob ich von München hierherkommen wollte, habe ich zugesagt." Worms hat nun eine Produktionsfirma. Zuletzt hat er die Show Magnifico mit André Heller inszeniert.

Worms hat die Hitparade 1990 verlassen, weil er gemerkt hat, dass er keine Rampensau ist. "Thomas Gottschalk, der füllt einen Raum, der ist dafür geboren - ich bin das nicht", sagt er. "Ich habe mir im Fernsehen auch nie gefallen." Das klingt nicht kokett, sondern ehrlich, selbstkritisch und schonungslos. Worms hatte nicht sofort eingesehen, dass es für die große Fernsehkarriere nicht reicht, es war ein Prozess über Jahre.

Aber vermutlich hat er recht: Er ist ein kreativer Kopf hinter den Kulissen, aber kein Moderator, und wenn es ein Medium gibt, das zu ihm passt, dann ist es das Radio, denn seine Stimme füllt den Raum. "Das Radio ist meine große Liebe", sagt er. "Ich war schon als Kind ein Radio-Freak." In seinem Büro hat er ein paar alte Rundfunkgeräte aufgestellt, und daheim hat er noch einmal 20. Ein tschechisches, das er auf dem Flohmarkt fand, ein amerikanisches mit Chrom aus den 30er Jahren, ein Mikrofon-Radio aus Plastik aus den 50er Jahren. "Meine Frau verdreht schon immer die Augen, wenn ich Radios von Reisen mitbringe."

Helmut Markwort holte Worms zu Antenne Bayern. Viktor Worms sollte den Sender aufbauen, und er war in seinem Element: Pionierarbeit leisten, Talente sichten, ein Team zusammenstellen, die Freiheit haben, verrückte Dinge auszuprobieren - wie ganz am Anfang in Düsseldorf, als er mit dem jungen Thomas Gottschalk für Radio Luxemburg arbeiten durfte. "Wir hatten eine irre Zeit, wir konnten machen, was wir wollten. Ich habe damals viel über Unterhaltung gelernt - von Thomas."

Für Antenne Bayern suchte er Talente zusammen. "Damals gab es etwa 40 Lokalsender in Bayern - wir fragten uns: Wo sitzen Leute, die etwas haben, was andere nicht haben?" Sie fanden Kathrin Müller-Hohenstein bei einem kleinen Sender in Nürnberg, und sie rekrutierten die "Leute heute"-Moderatorin Karen Webb oder "Panorama"-Frontfrau Anja Reschke, die als Wetter- und Verkehrs-Praktikantin bei Antenne Bayern begann.

Worms redet sehr schnell. Er weiß das, er hatte schon vor dem Gespräch gesagt, man müsse ihn unterbrechen, denn er sei oft nicht zu halten. Doch man unterbricht ihn nicht, obwohl er schon eine Stunde ohne Pause spricht - und man sich vorstellen kann, dass dieser Mann auch anstrengend sein kann mit seinem Enthusiasmus.

Aber in erster Linie hört man ihm gerne zu. Nicht nur, wenn er spannend erzählt, auch wenn er analysiert. Wenn er sagt, dass es heute zu wenige Persönlichkeiten im Fernsehen und im Radio gebe, weil den Sendern der Mut fehle, frechen Individualisten Zeit zu geben. Das bemängeln zwar viele. Aber bei Worms merkt man, dass es ihn schmerzt. Nach seiner Zeit bei Antenne Bayern wurde er Unterhaltungschef beim ZDF. Worms hatte wieder einmal die Chance, neue Dinge zu probieren.

Wenn jemand oft wechselt, bedeutet das auch, dass er Sicherheiten aufgibt, nicht nur materielle. Worms waren diese Sicherheiten im Job nicht so wichtig, vielleicht auch deshalb, weil er eine Beständigkeit im Privaten hat. Er ist seit langem mit seiner Frau zusammen, das Paar hat drei Kinder, 23, 21 und 17 Jahre alt. Das erdet.

Er war dann drei Jahre lang ZDF-Unterhaltungschef. Aber es war nichts für ihn. Zu viele Sitzungen, zu viel Verwaltungskram. Der Dampfer ZDF eben. "Bei Antenne Bayern hatte ich eine Idee und konnte sie gleich im Programm umsetzen - das ging beim ZDF nicht." Er hätte das vorher wissen müssen. Aber zwischen Wissen und Erleben ist ein Unterschied. Außerdem war er neugierig.

Und ein bisschen blieb er ja beim ZDF. Als freier Produzent war er zunächst für "Wetten, dass" zuständig und dann für Carmen Nebels Show. Carmen Nebel? Viktor Worms beugt sich nach vorne. Ja, er weiß, was da jetzt kommt, nämlich die Frage: Warum Nebel, warum Volksmusik? "Es ist auch heute noch ein konservatives Format, keine Frage", sagt er, "aber in meiner Zeit haben wir auch versucht, auf andere Musik umzusteigen - das reizte mich." Da kam dann schon mal David Garrett, der Geiger.

Aber es behagte ihm nicht, dass er für die Sendung so oft in Berlin sein musste. Seine Frau fehlte ihm, seine Kinder fehlten ihm, Bayern fehlte ihm. Und es fehlte ihm die Zeit, neue Ideen zu entwickeln. Das ist ihm wichtig. Ja nicht zu lange das Gleiche machen. Er sei kein Typ, der auf einem hohen Posten klebe "und bis zum Lebensende den Erfolg verwaltet".

Heute berät er Firmen, was Medien und Marketing angeht, er arbeitet für das Red Bull Media House oder die "Aktion Mensch". Oder er stellt mit André Heller die Show Magnifico auf die Beine. "Drei Monate haben wir das zusammen inszeniert - mit Heller zu arbeiten, ist ein Privileg", sagt Viktor Worms, "das kann mir keiner nehmen, das ist einfach geil." Auch wenn sein Gesicht in der Show nicht zu sehen ist.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2011/caj
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