Tutzing:Problemzone am See

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Es geht nicht viel voran in Tutzing - und rational ist das kaum noch zu erklären.

Von Gerhard Summer

Wenn sich Schwierigkeiten eine Wirkungsstätte suchen dürften, würden sie womöglich Tutzing wählen. Dort wären sie in bester Gesellschaft, denn an dieser Gemeinde klebt das Pech. Vergleichsweise simple Dinge enden gern mit unangenehmen Überraschungen. Komplizierte Angelegenheiten wie das Projekt Seehof schleppen sich seit Jahrzehnten hin, sodass kaum noch rational zu erklären ist, warum das so lange dauert. Und obwohl Tutzing viele reiche Bürger hat, ist die Kommune nach dem Auszug des Pharmakonzerns Roche finanziell klamm und schiebt einen gewaltigen Sanierungsstau vor sich her. Sogar die Rathausverwaltung ist stark angeschlagen. Das Bauamt, einer der wichtigsten Abteilungen im Rathaus, musste zuletzt für zwei Wochen komplett geschlossen werden, damit die Mitarbeiter Zeit finden, ihre Anforderungen für den Haushalt 2014 zusammenzustellen.

Die Gründe dafür, dass Tutzing zur Problemzone am Starnberger See geworden ist, sind vielfältig und liegen auch in der Vergangenheit begründet. In den letzten Jahren der unglaublich langen CSU-Alleinherrschaft ging nämlich kaum noch etwas voran. Bürgermeister Peter Lederer verwaltete sparsam und redlich den Stillstand; die Fraktionen waren damit beschäftigt, gegen die arrogant gewordene CSU wie gegen eine Wand anzurennen. Das Gremium sei zerstritten, hieß es damals; das war nicht ganz verkehrt. Als der parteifreie Jurist Stephan Wanner 2008 ins Chefzimmer einzog, schien zunächst ein anderer Wind zu wehen. War da nicht einer am Werk, der all die liegen gebliebenen Probleme endlich mit großem Fleiß und Sachverstand anpackte und nebenbei deutlich mehr als eine halbjährliche Mitteilung an die Öffentlichkeit verschickte? Doch, schon. Aber der Eindruck relativierte sich bald. Wanner gelang es nicht, den ungewöhnlich selbstbewussten Gemeinderat hinter sich zu bringen. Mehr noch, er machte sich Feinde, die ihm bis heute in herzlicher Abneigung verbunden sind. Gelegentlich hatte es auch den Anschein, als vertrete der Rathauschef gar keine eigene Meinung. Egal, welcher Beschluss, Hauptsache einstimmig.

Inzwischen gilt im Gemeinderat: fast alle gegen einen. Wanner ist für die Tutzinger Kommunalpolitiker zum roten Tuch geworden, so wie vormals die CSU zum Feindbild geworden war. Und das hat auch mit seiner Eigenheit zu tun, Probleme vorwiegend mit den Mitteln eines Juristen anzugehen und sich zu verzetteln. Wanner reagiert gerne mit ellenlangen Schriftsätzen. In der Regel geht es dabei ums Rechthaben. Oft kommt aber nur eine Papierlawine heraus. Wer alle Mails ausgedruckt hätte, die das Rathaus in den vergangenen sechs Jahren verschickt hat, könnte längst seine Zimmerdecke mit ein, zwei Papiersäulen abstützen.

Bei der Wahl bekommt es der Rathauschef mit ernst zu nehmenden Gegenkandidaten zu tun: dem 57-jährigen Gemeinderat Rudolf Krug (ÖDP, Freie Wähler) und der 51 Jahre alten CSU-Kreischefin Stefanie von Winning. Seine Herausforderer verspüren Wechselstimmung, Wanner wiederum hofft, dass mehr als ein Gemeinderatsbewerber der ihm freundlich gesonnenen Tutzinger Liste durchkommt. Ob es eine Stichwahl geben wird? Womöglich. Sicher ist nur, dass Wanner am 17. März Geburtstag hat.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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